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Fremdes Licht

Fremdes Licht

Titel: Fremdes Licht Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Nancy Kress
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Ganze zuwider. Dahar war ein
Bruder, und er war der erste Stellvertreter der Oberkommandierenden.
Manchmal ging Talot wirklich zu weit. Genau wie damals, als sie sich
mit… Sie, Jehanna, hielt nichts von Zauberei und Trance; das war
lauter Unsinn. Pfui! Und sie fand auch nicht, daß er so
ausgesehen hatte, als hätte er Ayrid nicht wahrgenommen. Im
Gegenteil, kurz darauf hatte er Ayrid ganz deutlich angesehen, fast
so…
    »Vergiß es«, zischelte sie. »Vergiß den
ganzen Quatsch und sei nicht dumm, Talot. Daß wir so reden, ist
schon schlimm genug. Er ist der erste Stellvertreter der
Oberkommandierenden.«
    Talot schwieg. Sie hielt den Kopf gesenkt. Jehanna blickte
mißmutig gegen den weißen schnurgeraden Scheitel, der das
straffe rote Haar teilte.
    »Und überhaupt, wer würde sich trauen, Dahar wegen
der Sache mit dem Messer anzuschwärzen. Angenommen, Belasir
würde einen Zweikampf anordnen, er würde den Betreffenden
doch auseinandernehmen.«
    »Außerdem braucht er es bloß
abzustreiten.«
    »Nie und nimmer würde er Belasir belügen!«
    »Nie – Jehanna? Auch nicht ein einziges Mal?«
    »Nicht der erste Stellvertreter des Oberkommandos!«
    Talot sagte sanft: »Du bist ziemlich naiv, geliebte
Schwester.«
    »Ich will nicht mehr darüber reden!« Jehanna sprang
auf, hob die Dreikugel auf und schleuderte sie über den Platz.
Die Waffe beschrieb einen hohen und stabilen Bogen und traf genau ins
Zentrum des Zielkreises.

 
23
     
    SaSa saß ganz still da. Stimmen näherten sich.
    Sie drückte sich in die flache Einbuchtung eines glatt
gewaschenen Ungetüms von Stein tief in der Wildnis von
R’Frow, in die sie von alleine nie einen Fuß gesetzt
hätte. Den Felsen im Rücken, der über ihr
geringfügig vorsprang, bildete sie sich rechts und links
Felswände ein, die gar nicht da waren. Das dichte Gebüsch
vor ihr strotzte vor roten Blüten, die sie nicht kannte; sie
hatte in ihrem ganzen Leben noch keine Savannenblumen gesehen. Klein
und schmächtig, wie sie war, paßte sie gerade zwischen
Buschwerk und Felsgestein, und jetzt machte sie sich noch kleiner.
Sie hatte sich nicht mehr gerührt, seit er sie hier
zurückgelassen hatte, um auf die Jagd zu gehen. Stillzuhalten
war ihr nie schwergefallen; sich stillzuhalten, war fast so
süß wie die Stille selbst.
    Sie wohnte jetzt seit mehr als zwei Zehnzyklen in der Halle des
Barbaren, und die dunkle, quälende Stimme hatte nicht ein
einziges Mal die klare Stille getrübt. Sie lebten keusch. Er
verlangte nichts von ihr, weder Worte noch Sex, und sie genoß
diesen Zustand. Sie ließ sich treiben auf dem Meer aus Ruhe und
Wärme und Geborgenheit, und manchmal, wenn die Grenzen zwischen
ihr und der warmen Luft oder dem Wroffboden oder dem schweren Duft
der Blüten verschwammen, dann fand sie von allein nicht mehr
zurück. Wenn er dann von der Jagd, vom Baden oder von wo auch
immer zurückkam, blinzelte sie ihn ganz verdutzt an, ohne sich
zu erinnern, wer er war, wer sie selbst war oder wo sie sich befand.
Ein paar Herzschläge, und dann entsann sie sich. Dann
lächelte sie in sein ängstliches, nach oben gewandtes
Gesicht, das so tief unten war, weil er sich gebückt hatte, um
ihr ins Gesicht schielen zu können, und strich dem Hüter
ihrer Stille mit einer einzigen matten Geste der Dankbarkeit
über das weiße Haar.
    Doch diesmal waren es Stimmen, die sie aufgescheucht hatten.
    Männer. Jäger. Delysier.
    Unwillkürlich atmete SaSa wieder tiefer durch. Delysische
Soldaten waren nicht so scharfsichtig wie jelitische Krieger.
Nichtsdestoweniger saß ihr der Schreck in den Gliedern. Doch
der Hüter ihrer Stille war irgendwo in der Nähe auf Jagd,
und er stand wie eine unerschütterliche weiße Mauer
zwischen ihr und allem, was ihren Frieden bedrohte.
    Genau hinter ihrem Gebüsch blieben die Männer stehen.
Durch die Lücken zwischen Blättern und Blüten konnte
sie nur dunkle Schemen erkennen.
    »Nichts. Weit und breit kein Tier, Kelovar.«
    »Doch. Weiter vorne.«
    »Nein. Etwas hat sie verscheucht. Hör doch… es ist
viel zu still. Hier ist schon jemand durchgekommen.«
    »Ein Jelite«, sagte Kelovar. SaSa hörte den
Unterton in der Stimme und preßte die Augen ganz fest zu.
    »Meinst du?«
    »Hoffe ich.«
    Eine Pause. Dann sagte der andere: »Ich sage nur
›Khalid‹.«
    »Na und?«
    »Du willst dich darüber hinwegsetzen?«
    »Und du?«
    »Nein«, sagte der andere entrüstet. »Er hat
das Kommando, Kelovar. Ob uns das nun paßt oder nicht. In
R’Frow wird nicht

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