Fremdes Licht
Haarschopf
des Soldaten einen stumpfen Glanz. Der linke Arm des Soldaten hatte
bereits blutige Bekanntschaft mit dem Geddolch des Gegners gemacht.
Das Gesicht unter dem hellen Haarschopf hatte einen verbissenen
Ausdruck. Der Jelite, jünger und flinker als sein Gegner,
wechselte die Richtung und näherte sich der linken Seite des
Soldaten, und als der sich drehte, um seinen verletzten Arm zu
schützen, da täuschte der Krieger einen Ausfall mit dem
Dolch vor und jagte dem Soldaten blitzschnell die Stiefelspitze in
den Unterleib.
Der Delysier krümmte sich und kippte vornüber. Der
Jelite stürzte sich auf den Daliegenden, entriß ihm das
Messer, wälzte ihn auf den Rücken und setzte sich rittlings
auf ihn. Der schwer angeschlagene Soldat holte mit dem rechten Arm
aus, doch der Jelite parierte den Schlag und zwang den Arm im
Handumdrehen mit der Linken an den Boden. Der blutige linke Arm des
Delysiers fiel immer wieder hilflos auf den Boden zurück.
»Wir sind nicht alle ehrlose Feiglinge«, zischte der
Jelite. »Du hast eine Kriegerin getötet, eine Schwester. Weißt du, was das bedeutet, du
Miststück?«
»Ich nicht… ich nicht… ich war das
nicht…«
»Wer von euch es war, das ist mir furchtbar egal«, sagte
der Jelite. Er brachte das Messer an das rechte Auge des Soldaten.
Das Augenlid flimmerte, dann schloß es sich; der Jelite stach
die Messerspitze durch das Lid ins Auge.
Der Soldat stieß einen hohen und durchdringenden Schrei aus.
Der Schrei nahm kein Ende. Der Krieger wartete, bis ihm das Risiko zu
groß wurde, dann zog er das Messer heraus, tastete nach dem
Ende des Brustkorbs, setzte die Klinge an, stieß zu. Einmal,
zweimal. Sein Gesicht war eine Maske. Der Delysier bäumte sich
im Todeskampf. Der Jelite zog das Messer heraus, verließ den
Pfad und verschwand im Wald.
Aus der Richtung der Unterrichtshalle kam plötzlich ein
anderer Mann gelaufen.
Wiewohl das alle schon wußten, grollte Grax leise: »Aus
meiner Klasse. Dahar.«
»Das ist doch der mit der mathematischen Intelligenz«,
sagte jemand; ein Kommentar blieb nie ohne Bestätigung.
»Ja. Ich habe ihm freien Zutritt zu einem Klassenzimmer
gewährt. Er ist ein primitiver Arzt; er hat es gelernt, die
einfachsten Bakterien von Quom zu isolieren.«
»Ich hätte nicht gedacht, daß Menschen zu so etwas
fähig sind«, sagte der andere höflich. »In uns
singt die Harmonie.«
»Möge sie immer singen. Doch wir wissen immer noch
nicht, wozu sie wirklich fähig sind«, sagte Grax, ohne den
Blick vom Schirm abzuwenden. Auf eine bestimmte Duftnote in Graxens
Pheromonen reagierte der andere plötzlich mit dem Geruch der
Überraschung.
Dahar kniete über dem delysischen Soldaten. Er fühlte
ihm den Puls, untersuchte das blutige Auge. Als er von dem Toten
aufsah, war sein Gesicht eine Maske des Zorns – aber da war noch
etwas anderes in seinen Zügen, etwas, das gestört worden
war, das auch der Zorn nicht restlos verfinstern konnte, etwas
Helles, Freude, die noch nicht verklungen war, Entdeckerfreude. Die
Szene war heller geworden. Es war Morgenlicht, das auf die blaurote
Doppelhelix am Tebel des Jeliten fiel.
Er stand auf und warf sich die Leiche über die Schulter. Mit
ausgreifenden Schritten verließ er den Blickwinkel des
versteckten Auges.
In der Leitstelle, einem Hohlraum der Stadtmauer, herrschte eine
Zeitlang Schweigen. Arme und Beine streichelten R’gref. Dann
ergriff Krak’gar, die Poetin, das Wort, und ihre Pheromone
verströmten Inbrunst. »Wie kann Gewalt von Gleich zu Gleich
die Evolution beflügeln? Ist sie nicht Gift für den
Verstand?«
»In uns singt die Harmonie!«
»In uns singt die Harmonie.«
»Möge sie immer singen.«
»Sie wird auf immer singen. Das Bibliothekshirn versucht
unermüdlich, den Zentralen Widerspruch zu
lösen.«
»Es glaubt immer noch, daß eine Korrelation
existiert.«
»Sie könnte erklären, wie es den Menschen gelungen
ist, ihren Planeten zu verlassen und nach den Sternen zu
greifen.«
Die Pheromone taten Ekel kund, getränkt mit Furcht. So etwas
war einfach undenkbar, so undenkbar, als würde die
T’Fragh-Konstante irgendwo von ihrem Wert abweichen. Das
Universum war mathematisch widerspruchsfrei.
Wraggaf sagte: »Der Getötete gehörte zu meiner
Klasse.«
Rowir sagte sofort: »Es ist beunruhigend, jemanden zu
verlieren, mit dem man gearbeitet hat.«
Zustimmendes Gemurmel, obgleich man sehr wohl wußte,
daß sich der betreffende Delysier nur an Wraggafs
Waffenunterricht beteiligt
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