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Fremdes Licht

Fremdes Licht

Titel: Fremdes Licht Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Nancy Kress
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Sitzkissen neben der delysischen
Glasbläserin berühren.
    Sein Blick streifte Lajarians Gesicht.
    »Alle sind zum Unterricht eingeladen«, sagte Grax.
»Alle, die Interesse am Unterricht über die Doppelhelix
haben, mögen an diesen Tisch kommen.«
    Die Blicke aus vierzehn Augenpaaren sprangen in das Gesicht des
Ged und kehrten zu dem jelitischen Kommandanten zurück, der
neben der delysischen Bürgerin saß. Lediglich der Barbar
und die Hure zeigten keinerlei Anteilnahme am Geschehen, sie
saßen wie abgekapselt da, eingehüllt in ihren Harnisch aus
Schweigen.
    In unangemessen forderndem Ton wollte Dahar wissen: »Wie geht
man mit dem Vergrößerungsgerät um?«
    Der Ged zeigte es ihm. Er nahm etwas vom Tisch, das bis jetzt noch
niemandem aufgefallen war; es war ein Blütenstiel des
Schneeglöckchenbaums. Grax spliß ein winziges Stück
davon ab und hielt es ihnen auf seiner Fingerspitze hin. Auf der
schwach schimmernden Wroffhülle rings um den Finger nahm es sich
nur mehr als samtiges Fleckchen aus. Er hielt eine Kante des grauen
Kästchens über das Pflanzenteilchen, aber ohne es damit zu
berühren. Es verschwand.
    »Die Probe ist jetzt in dem Gerät. Dort wird sie in
hauchdünne Schichten zerlegt – Schichten, die nicht dicker
sind als eine einzige Zelle. Hier mußt du
hineinsehen.«
    Dahar nahm das graue Kästchen ans Auge. Einen Moment lang sah
er nichts als Lajarians Gesicht dahinter. Dann zerbarst die Welt in
die Geheimnisse des Lebens.
    Eine aberwinzige Stadt, wunderbar geformt und ringsum von einer
starken Mauer geschützt. Eine ›Zelle‹, Herberge des
Lebens – und Quell des Lebens…
    Eine Erregung, die an Furcht grenzte, überschwemmte ihn. Er
zog sein Messer aus dem Gürtel, sah nicht, wie Grax
plötzlich aufmerkte, wie Ayrid erstarrte und Lajarian mit
gezückter Waffe vortrat. Dahar schnitt sich in die Fingerspitze.
Blut tropfte auf die Tischfläche; er hielt das Gerät erst
über den roten Klecks und dann ans Auge.
    Er verlor jedes Zeitgefühl, während er die runden, auf
beiden Seiten eingedellten Scheibchen bewunderte…
    Die unaufdringliche Stimme des Ged rief ihn zurück.
»Blutzellen sind besondere Zellen, sie unterscheiden sich von
den anderen. Lebende Zellen, wie du sie von der Innenseite der Wange
abschaben kannst, verraten dir noch mehr.«
    Ohne zu zögern, schob Dahar die Klinge zwischen die Lippen.
Er förderte schleimige Fetzchen zutage. Beim ersten Anblick der
Zellen, jede eine winzige wimmelnde Stadt, verstrebt und gemustert
und strotzend vor Leben, da versteifte sich unwillkürlich sein
Rückgrat. Da war sie! Da war sie tatsächlich! In greifbarer
Nähe, so wirklich wie die Savanne oder das Meer oder die Berge,
hell erleuchtet.
    Die ruhige Stimme des Ged kam wie aus weiter Ferne: »Die
dunkle Masse ist der Kern der Zelle, der Kern ihres Lebens. Er
enthält die Regeln für alles, was eine lebendige Zelle tut.
Die winzigen Muster der Doppelhelix enthalten den gesamten Plan
für Geburt und Wachstum und Heilung und Tod.«
    Es war nicht diese unaufdringliche Stimme, es war das heftige
Rauschen in seinen Ohren, das ihn zurückrief – zurück
nach R’Frow, wo er dem wachsamen, friedlichen Blick des Ged
begegnete, der Bestürzung in Ayrids Augen und der Verwirrung in
den Augen seiner aufgescheuchten Krieger – den salzigen
Geschmack von Blut im Mund, den die zitternde Klinge hinterlassen
hatte.
     
    »Nicht viel, und es wäre zum Kampf gekommen«, sagte
Talot. »Einfach das Messer zu ziehen, ohne Lajarian ein Zeichen
zu geben. Woher sollten wir wissen, was los war?«
    »Schade«, sagte Jehanna und schwang die Dreikugel
launisch in Richtung des Ziels, ließ sie aber nicht los. Sie
hatte mit den Waffen gearbeitet, war um die Wette gerannt und hatte
gerungen, aber der Schweiß hatte ihr nicht – wie sonst
immer – die Rastlosigkeit aus dem Körper geschwemmt –
und das störte sie.
    Talot warf sich unter eine Baumgruppe am Rand des
Trainingsplatzes, rupfte einen Grashalm aus und begann mit scharfen,
ebenmäßigen Zähnen darauf zu kauen. »Kein Kampf.
Du weißt doch, Jehanna. Belasir und Dahar sind strikt
dagegen.«
    »Verdammter Krimist, was soll das alles? Trainieren,
trainieren, mit den neuen Waffen üben – und eine Schwester
krepiert wie eine Schleimschnecke. Eine Kriegerin.«
    »Belasir will nicht, daß uns die Geds hier
rausschmeißen. Wir bekämen keine neue Waffen mehr, wohl
aber die Delysier. Belasir will die Geds nicht reizen, verstehst du?
Das wäre auch dumm. Kein

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