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French, Tana

French, Tana

Titel: French, Tana Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Sterbenskalt
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gesprochen hatte, war ich auch schon an ihr vorbei und durch die Tür. Die
Wohnung war zwar nicht gerade verwahrlost, aber ich verstand, was sie meinte.
Bei Mandy zu Hause hatte ein Blick genügt, um zu erkennen, dass die Frau
zufrieden war; nicht gerade überglücklich vielleicht, aber ihr Leben hatte
sich so gestaltet, dass es ihr gefiel. Ganz anders bei Imelda. Das Wohnzimmer
wirkte kleiner, als es war, weil überall irgendwas herumstand und -lag: schmutzige
Tassen und Imbissverpackungen vom Chinesen auf dem Boden vor dem Sofa,
Frauenklamotten - verschiedene Größen — trockneten auf den Heizkörpern,
wackelige verstaubte Stapel DVD-Raubkopie-Hüllen in den Ecken. Die Heizung war
zu hoch gedreht, und die Fenster waren lange nicht mehr geöffnet worden. Es
roch stark nach Aschenbechern, Essen und Frauen. Alles bis auf die
Hochleistungsglotze musste ersetzt werden.
    »Du hast
eine hübsche kleine Wohnung«, sagte ich.
    Imelda
sagte knapp: »Sie ist beschissen.«
    »Ich bin
in einer schlechteren aufgewachsen.«
    Sie zuckte
die Achseln. »Und? Sie ist trotzdem beschissen. Willst du nen Tee?«
    »Gerne.
Wie ist es dir ergangen?«
    Sie
verschwand in der Küche. »Siehst du ja selbst. Setz dich doch.«
    Ich
entdeckte ein nicht verkrustetes Fleckchen Sofa und nahm Platz. »Ich hab
gehört, du hast Töchter, ja?«
    Durch die
halboffene Küchentür sah ich, wie Imelda innehielt, eine Hand auf dem Kessel.
Sie sagte: »Und ich hab gehört, du bist bei der Polizei.«
    Ich
gewöhnte mich langsam an die unlogische Wut, die in mir hochschoss, wenn jemand
mich darüber in Kenntnis setzte, dass ich mich in einen Handlanger der
Obrigkeit verwandelt hatte; die erwies sich inzwischen sogar als ganz nützlich. »Imelda«, sagte ich nach einer stummen
Schrecksekunde, empört und bis ins Mark verletzt. »Ist das dein Ernst? Du
glaubst, ich bin hier, um dir wegen deiner Kinder Ärger zu machen?«
    Achselzucken.
»Woher soll ich das wissen? Sie haben sowieso nichts ausgefressen.«
    »Ich weiß
nicht mal, wie sie heißen. Ich hab
mich nur nett erkundigt, verdammt nochmal. Von mir aus kannst du die verdammten
Sopranos großziehen, interessiert mich einen Scheißdreck. Ich wollte bloß hallo
sagen, um der alten Zeiten willen. Aber wenn du nicht damit klarkommst, womit
ich meine Brötchen verdiene, dann sag das, und ich verschwinde wieder. Glaub
mir.«
    Nach einem
Moment sah ich, wie Imeldas Mund widerwillig zuckte, und sie schaltete den
Elektrokessel ein. »Immer noch der alte Francis, geht gleich an die Decke. Ja,
ich hab drei. Isabelle, Shania und Genevieve. Tanzen mir ganz schön auf der
Nase herum. Teenager. Hast du auch Kinder?«
    Kein Wort
von einem Vater - oder Vätern. »Eine Tochter«, sagte ich. »Sie ist neun.«
    »Da hast
du ja noch alles vor dir. Gott steh dir bei. Es heißt, Jungs ruinieren dir das
Haus und Mädchen ruinieren dir die Nerven, und das stimmt.« Sie warf Teebeutel
in Tassen. Allein vom Zuschauen, wie sie sich bewegte, fühlte ich mich alt.
    »Gehst du
immer noch nähen?«
    Ein
Schnauben, das ein Lachen gewesen sein könnte. »Gott, das ist lange her. Ich
hab vor zwanzig Jahren in der Fabrik aufgehört. Inzwischen mach ich dies und
das. Überwiegend putzen.« Sie warf mir einen Seitenblick zu, streitlustig,
falls ich irgendeine blöde Bemerkung von mir geben würde. »Die aus Osteuropa
sind billiger, aber es gibt noch ein paar Leute, die lieber jemanden nehmen,
der Englisch spricht. Ich komm ganz gut zurecht, wirklich.«
    Das Wasser
im Kessel kochte. Ich sagte: »Hast du das von Rosie gehört?«
    »Ja, hab
ich. Das war vielleicht ein Schock. Die ganze Zeit ...« Imelda goss den Tee auf
und schüttelte rasch den Kopf, als wollte sie irgendetwas daraus loswerden.
»Die ganze Zeit dachte ich, sie wäre in England. Als ich es gehört hab, konnte
ich es nicht glauben. Ich konnte einfach nicht. Ich schwöre, den Rest des Tages
bin ich rumgelaufen wie ein Zombie.«
    Ich sagte:
»Ich auch. War alles in allem keine tolle Woche.«
    Imelda
brachte eine Packung Milch und eine Tüte Zucker aus der Küche und machte dafür
ein Plätzchen auf dem Couchtisch frei. Sie sagte: »Kevin war immer so ein
netter junger Kerl. Hat mir leidgetan, als ich das mit ihm gehört hab, richtig
leid. Ich hätte bei euch vorbeigeschaut, an dem Abend, als es passiert ist,
bloß ...«
    Sie zuckte
die Achseln, ließ den Satz unvollendet. Nicht in einer Million Jahren hätten
Chloe und Chloes Mummy den feinen, eindeutigen Schichtenunterschied

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