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French, Tana

French, Tana

Titel: French, Tana Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Sterbenskalt
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und dein
Onkel Kevin meine, statt neue zu bekommen. Deine Nana und dein Granddad
mussten im Wohnzimmer schlafen, weil wir nicht genug Zimmer hatten.«
    Sie machte
große Augen, als würde ich ihr ein Märchen erzählen. »Ehrlich?«
    »Ja. Viele
Menschen haben so gelebt. Es war kein Weltuntergang.«
    Holly
sagte: »Aber.« Ihre Wangen waren jetzt nicht mehr rosa, sondern knallrot.
»Chloe sagt, arme Leute sind Prolls.«
    Das
überraschte mich absolut nicht. Chloe ist eine alberne, gehässige, humorlose
kleine Göre mit einer magersüchtigen, gehässigen, humorlosen Mutter, die betont
laut und langsam und mit bewusst einfachen Worten mit mir redet, weil ihre
Familie eine Generation früher als meine aus der Gosse gekrochen ist und weil
ihr fetter, gehässiger, humorloser Gatte einen dicken Geländewagen fährt. Ich
fand schon immer, wir sollten der ganzen schnöden Bagage Hausverbot erteilen.
Liv meinte, Holly würde schon irgendwann von selbst über Chloe hinauswachsen.
Was mich betraf, so klärte dieser herrliche Augenblick die Frage ein für alle
Mal.
    »Verstehe«,
sagte ich. »Was genau meint Chloe damit?«
    Ich
achtete darauf, meine Stimme ruhig zu halten, aber Holly kennt mich gut, und
sie warf mir einen raschen Seitenblick zu, las in meinem Gesicht. »Das ist
kein Schimpfwort.«
    »Kommt
drauf an. Was glaubst du denn, was es bedeutet?«
    Zappeliges
Achselzucken. »Weißt du doch.«
    »Häschen,
wenn du ein Wort benutzt, musst du doch ungefähr wissen, was du da sagst. Na
los.«
    »Na ja,
dumme Leute. Leute, die Trainingsanzüge tragen und die keine Arbeit haben, weil
sie faul sind, und richtig sprechen können sie auch nicht. Arme Leute.«
    Ich sagte:
»Was ist mit mir? Findest du, ich bin dumm und faul?«
    »Du doch
nicht!«
    »Aber
meine ganze Familie war bitterarm.«
    Sie wurde
langsam aufgebracht. »Das ist was anderes.«
    »Genau. Du
kannst genauso gut ein reicher Mistkerl sein, wie du ein armer Mistkerl sein
kannst, und du kannst als reicher und armer Mensch anständig sein. Das hat mit
Geld nichts zu tun. Es ist schön, welches zu haben, aber es macht dich nicht zu
dem, der du bist.«
    »Chloe
sagt, ihre Mum sagt, es ist superwichtig, allen sofort zu zeigen, dass man viel
Geld hat. Sonst kriegt man keinen Respekt auf dieser Welt.«
    »Chloe und
ihre Eltern«, sagte ich, mit der Geduld am Ende, »sind so vulgär, da würde
sogar der durchschnittliche, mit Goldketten behängte Proll rot werden.«
    »Was
bedeutet vulgär?«
    Holly
hatte inzwischen aufgehört, mit dem Flügel zu hantieren, und blickte mich
jetzt zutiefst verwirrt und mit zusammengezogenen Augenbrauen an, während sie
darauf wartete, dass ich alles einleuchtend und verständlich erklärte. Zum vielleicht
ersten Mal in ihrem Leben hatte ich keine Ahnung, was ich ihr sagen sollte. Mir
war schleierhaft, wie ich einem Kind, das glaubte, jeder hätte einen Computer,
den Unterschied zwischen einem fleißigen Armen und einem miesen Armen klarmachen
sollte oder wie ich einem Kind, das mit Britney Spears aufgewachsen ist, das
Wort vulgär erklären sollte oder wie ich überhaupt irgendwem erklären sollte,
wie diese Situation sich in ein so heilloses Fiasko hatte verwandeln können. Am
liebsten hätte ich Olivia gerufen, damit sie mir sagte, was ich machen
sollte, bloß das war nicht mehr Livs Problem. Meine Beziehung zu Holly war
jetzt ganz allein mein Problem. Am Ende nahm ich ihr den Miniaturflügel aus der
Hand, stellte ihn zurück ins Puppenhaus und zog sie auf meinen Schoß.
    Holly
lehnte sich zurück, um mein Gesicht zu beobachten, und sagte: »Chloe ist doof,
nicht?«
    »Gott,
ja«, sagte ich. »Wenn die doofen Leute weltweit knapp würden, könnten Chloe und
ihre Eltern den Mangel im Nu allein beheben.«
    Sie nickte
und schmiegte sich an meine Brust, und ich zog ihren Kopf unter mein Kinn. Nach
einer Weile sagte sie: »Zeigst du mir irgendwann, wo Onkel Kevin aus dem
Fenster gefallen ist?«
    »Wenn du
meinst, du musst das sehen, klar«, sagte ich. »Ich zeig's dir.«
    »Aber
nicht heute.«
    »Nein«,
sagte ich. »Den heutigen Tag wollen wir alle einfach nur möglichst heil
überstehen.« Wir saßen schweigend auf dem Boden, ich wiegte Holly hin und her,
und sie lutschte versonnen am Ende eines Zopfes, bis Olivia hereinkam und
sagte, es sei Zeit für die Schule.
    Ich kaufte
mir irgendwo in Dalkey einen extragroßen Kaffee und einen undefinierbaren,
biomäßig aussehenden Muffin — ich hab das Gefühl, Olivia fürchtet, wenn sie mir
was zu

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