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French, Tana

French, Tana

Titel: French, Tana Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Sterbenskalt
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keine Ahnung, was mit ihr passiert ist,
und ich hab nicht den Eindruck, dass die Bullen sich überschlagen, um es
rauszufinden. Ich brauche Unterstützung, Melda.«
    »Das hätte
nie passieren dürfen. Das ist schrecklich, echt schrecklich. Rosie hat doch nie
einem was getan. Sie wollte doch bloß ...« Imelda verstummte, rauchte und
betrachtete ihre Finger, die sich durch ein Loch im verschlissenen Sofabezug
bohrten, aber ich spürte, dass sie nachdachte, und wollte sie nicht
unterbrechen. Nach einer Weile sagte sie: »Ich hab gedacht, wenigstens sie
hätte den Absprung geschafft.«
    Ich zog
eine fragende Augenbraue hoch. Eine schwache Röte verfärbte Imeldas erschlaffte
Wangen, als hätte sie irgendwas gesagt, das sich vielleicht dumm anhörte, aber
sie sprach weiter: »Sieh dir Mandy an, ja? Das reinste Abziehbild ihrer Ma. So
schnell sie konnte geheiratet, mit der Arbeit aufgehört, um sich um die
Familie zu kümmern, gute kleine Ehefrau, gute kleine Mammy, wohnt im selben Haus, ob du's
glaubst oder nicht, sie trägt sogar dieselben Klamotten, die ihre Ma früher
getragen hat. Bei allen anderen, die wir von früher kennen, ist es das Gleiche:
Abziehbilder ihrer Eltern, auch wenn sie sich noch so fest eingeredet haben,
sie würden mal anders.«
    Sie
drückte ihre Zigarette in einem vollen Aschenbecher aus. »Und sieh mich an. Was
aus mir geworden ist.« Sie deutete mit einer ruckartigen Kinnbewegung auf die
Wohnung um uns herum. »Drei Kinder, drei Dads - hat Mandy dir wahrscheinlich
erzählt, nicht? Ich war zwanzig, als ich Isabelle bekam. Sofort danach
arbeitslos. Hatte seitdem keinen anständigen Job mehr, hab nie geheiratet, nie
einen Typen länger als ein Jahr behalten — die Hälfte von denen ist längst
verheiratet, klar. Ich hatte eine Million Pläne, als ich ein junges Ding war,
und aus keinem ist was geworden. Stattdessen hab ich mich sang- und klanglos in
meine Ma verwandelt. Ich bin einfach eines Morgens aufgewacht, und hier bin
ich.«
    Ich zog
zwei weitere Zigaretten aus meiner Packung, zündete eine für Imelda an.
»Danke.« Sie wandte den Kopf, um den Rauch von mir wegzublasen. »Rosie war die
Einzige, die sich nicht in ihre Ma verwandelt hat. Ich hab gern an sie gedacht.
Wenn es bei mir beschissen lief, war es schön zu wissen, dass sie da draußen
irgendwo war, in London oder New York oder Los Angeles, und irgendeinen
verrückten Job macht, von dem ich noch nie was gehört hab. Die Einzige, die den
Absprung geschafft hatte.«
    Ich sagte:
»Ich hab mich nicht in meine Ma verwandelt. Oder in meinen Dad, besser gesagt.«
    Imelda
lachte nicht. Sie warf mir einen kurzen Blick zu, den ich nicht deuten konnte -
vielleicht irgendwas in der Richtung, ob es wirklich als Verbesserung galt,
dass aus mir ein Bulle geworden war. Nach einem Moment sagte sie: »Shania ist
schwanger. Siebzehn. Sie weiß nicht genau, wer der Dad ist.«
    Nicht mal
Rocky hätte das in etwas Positives ummünzen können. Ich sagte: »Wenigstens hat
sie eine gute Mammy, die ihr helfen kann.«
    »Ja«,
sagte Imelda. Ihre Schultern sanken ein kleines bisschen tiefer, als hätte sie
sich von mir die Lösung erhofft, wie das Problem aus der Welt zu schaffen wäre.
»Mag sein.«
    In einer
der anderen Wohnungen hatte jemand höllisch laut 50 Cent aufgelegt, und
irgendwer brüllte ihn an, er solle leiser drehen. Imelda achtete nicht mal
darauf. Ich sagte: »Ich muss dich noch was fragen.«
    Imelda
hatte gute Antennen, und irgendetwas in meiner Stimme hatte die aktiviert: Der
leere Ausdruck legte sich wieder über ihr Gesicht. Ich sagte: »Wem hast du
erzählt, dass Rosie und ich wegwollten?«
    »Ich hab's
niemandem erzählt. Ich bin doch keine Verräterin.«
    Sie setzte
sich aufrechter hin, bereit zum Kampf. Ich sagte: »Dafür hab ich dich auch nie
gehalten. Aber es gibt alle möglichen Arten, Informationen aus Leuten
rauszukriegen. Du warst erst... wie alt - achtzehn, neunzehn? Vielleicht hat
dich irgendwer betrunken gemacht, damit du was ausplauderst, oder dich mit
einem Trick dazu gebracht, irgendwelche Andeutungen zu machen.«
    »Ich bin
auch nicht blöd.«
    »Ich auch
nicht. Hör mal, Imelda. Irgendwer hat in jener Nacht in Nummer sechzehn auf
Rosie gewartet. Irgendwer hat ihr aufgelauert, sie umgebracht und ihre Leiche
verscharrt. Nur drei Leute auf der ganzen Welt wussten, dass Rosie in das Haus
kommen würde, um den Koffer zu holen: ich, Rosie und du. Von mir hat es keiner
erfahren. Und wie du vorhin selbst gesagt hast, hat Rosie

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