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French, Tana

French, Tana

Titel: French, Tana Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Sterbenskalt
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gar nichts mit dir gemeinsam habe.«
    Dad sah
mich an. Er sagte: »Du hältst dich also für einen besseren Dad, als ich es je
war.«
    »Da hängt
die Messlatte ziemlich niedrig. Ich hab schon streunende Hunde gesehen, die
bessere Dads waren als du.«
    »Dann
verrat mir doch mal eins: Wenn du so ein Heiliger bist und wir so ein
Lumpenpack sind, warum benutzt du dann dein Kind als Vorwand, um weiter
herzukommen?«
    Ich war
auf dem Weg zur Tür, als ich hinter mir hörte: »Hinsetzen.«
    Es klang
wieder wie Dads alte Stimme, voll und stark und jung. Sie packte meinen inneren
Fünfjährigen an der Gurgel und stieß mich zurück auf den Stuhl, ehe ich wusste,
wie mir geschah. Sobald ich wieder saß, musste ich so tun, als wäre es meine
freie Entscheidung gewesen. Ich sagte: »Ich dachte, wir wären so weit fertig.«
    Den Befehl
zu geben hatte ihn geschlaucht. Er saß vorgebeugt, atmete schwer und griff
nach der Decke. Er sagte keuchend: »Ich bestimme, wann wir fertig sind.«
    »Von mir
aus. Hauptsache bald.«
    Dad schob
sich die Kissen höher in den Rücken - ich machte keine Anstalten, ihm zu
helfen; schon bei der Vorstellung, dass unsere Gesichter sich so nah kommen
könnten, bekam ich Gänsehaut - und kam langsam wieder zu Atem. Über seinem
Kopf war noch immer der Riss in der Decke, der aussah wie ein Rennwagen und
den ich angestarrt hatte, wenn ich morgens früh wach wurde und im Bett meinen
Gedanken nachhing, während ich Kevin und Shay atmen und sich umdrehen und
murmeln hörte. Draußen war das goldene Licht verblasst. Vor dem Fenster
verfärbte der Himmel über den Gärten sich in ein kaltes Tiefseeblau.
    Dad sagte:
»Du hörst mir jetzt zu. Ich mach's nicht mehr lange.«
    »Überlass
den Spruch lieber Ma. Die bringt ihn besser.« Seit ich denken kann, steht Ma an
der Schwelle des Todes, hauptsächlich aufgrund irgendwelcher geheimnisvoller
Unterleibsgeschichten.
    »Die
überlebt uns noch alle, schon aus Trotz. Ich glaube nicht, dass ich nächstes
Weihnachten noch erlebe.«
    Er
schlachtete es aus, lehnte sich zurück und presste eine Hand auf die Brust,
aber seine Stimme hatte einen Unterton, der verriet, dass es ihm zumindest
teilweise ernst war. Ich sagte: »Woran hast du vor zu sterben?«
    »Kann dir
doch egal sein. Ich könnte vor dir verbrennen, und du würdest mich nicht mal
anpinkeln, um das Feuer zu löschen.«
    »Stimmt, aber
ich bin neugierig. Ich hätte nicht gedacht, dass Arschloch-Sein tödlich ist.«
    Dad sagte:
»Mein Rücken wird immer schlimmer. Die halbe Zeit spüre ich meine Beine nicht
mehr. Neulich bin ich zweimal umgekippt, als ich bloß morgens in die Unterhose
steigen wollte; die Beine sind einfach weggeknickt. Der Arzt meint, bis zum
Sommer sitz ich im Rollstuhl.«
    Ich sagte:
»Jetzt muss ich mal was ganz Abwegiges fragen: Hat der Arzt vielleicht auch
angedeutet, das mit deinem >Rücken< würde besser oder wenigstens nicht
noch schlimmer, wenn du mit der Sauferei aufhören würdest?«
    Sein
Gesicht verzog sich angewidert. »Bei der kleinen Schwuchtel kriegst du das
Kotzen. Der sollte mal endlich aufhören, Muttermilch zu nuckeln, und was
Anständiges trinken. Ein paar Gläser haben noch keinem Mann geschadet.«
    »Damit
sind ein paar Gläser Bier gemeint, nicht Wodka. Aber wenn der dir so guttut,
woran stirbst du dann?«
    Dad sagte:
»Ein Mann kann nicht als Krüppel leben. Zu Hause eingesperrt, jemand muss dir
den Hintern abputzen, dich baden und aus der Wanne heben. Für so einen Scheiß
hab ich keine Zeit. Wenn es so weit kommt, mach ich den Abgang.«
    Wieder
signalisierte irgendetwas hinter seinem Selbstmitleid, dass er es ernst
meinte. Wahrscheinlich, weil es im Pflegeheim keine Minibar geben würde, aber
im Großen und Ganzen musste ich ihm recht geben: lieber tot als Windeln tragen.
»Und wie?«
    »Ich hab
da so meine Pläne.«
    Ich sagte:
»Irgendwie ist mir jetzt zwischendurch was entgangen. Was willst du von mir?
Wenn es nämlich Mitleid ist, kannst du lange warten. Und falls du Hilfe
brauchst, ich glaube, da stehen die Leute schon Schlange.«
    »Ich will
überhaupt nichts von dir, du blöder Schnösel. Ich versuche, dir was Wichtiges
zu sagen, wenn du nur mal einen Moment die Klappe halten und zuhören würdest.
Oder hörst du dich selbst so gern reden?«
    Vielleicht
ist das jetzt das Lächerlichste, was ich je zugeben musste: Tief in meinem
Innern klammerte sich eine Faser von mir an die Chance, dass er tatsächlich
etwas Wertvolles zu sagen hätte. Er war mein Dad. Als

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