French, Tana
ich noch ein kleiner
Junge war und noch nicht mitgekriegt hatte, dass er ein Sausack erster Güte
war, hielt ich ihn für den schlausten Menschen auf der Welt. Er wusste alles
über alles, er hätte den Hulk mit links erledigen und mit der Rechten Konzertflügel
stemmen können, ein Grinsen von ihm konnte deinen ganzen Tag erhellen. Und
falls ich je ein paar Perlen väterlicher Weisheit gebraucht hatte, dann an
diesem Abend. Ich sagte: »Ich höre.«
Dad
richtete sich mühsam im Bett auf. Er sagte: »Ein Mann muss wissen, wann er sich
mit gewissen Dingen abzufinden hat.«
Ich
wartete, aber er sah mich gespannt an, als erwartete er eine Antwort.
Anscheinend war das das Höchstmaß an Erleuchtung, das ich von ihm kriegen
würde. Ich hätte mir selbst eine reinhauen können, weil ich so dämlich gewesen
war, mir mehr zu erhoffen. »Toll«, sagte ich. »Tausend Dank. Ich werd's mir
merken.«
Ich wollte
wieder aufstehen, aber eine von seinen deformierten Händen schoss vor und
packte mein Handgelenk, schneller und sehr viel stärker, als ich gedacht
hätte. Von der Berührung sträubten sich mir die Nackenhaare. »Setz dich hin
und hör zu. Ich will dir Folgendes sagen: Ich hab in meinem Leben viel Scheiß
durchgemacht und nie daran gedacht, mich umzubringen. Ich bin kein
Schwächling. Aber wenn mir zum ersten Mal einer eine Windel umbindet, mach ich
mich vom Acker, weil es dann keinen Kampf mehr gibt, den es sich lohnt zu
gewinnen. Du musst wissen, wogegen du kämpfen und womit du dich abfinden
solltest. Hast du kapiert?«
Ich sagte:
»Eines würde ich ja gern wissen. Wieso interessierst du dich auf einmal einen
Furz dafür, welche Einstellung ich zu irgendwas habe?«
Ich hatte
erwartet, dass Dad richtig in Fahrt kommen würde, aber nichts da. Er ließ mein
Handgelenk los und massierte seine Knöchel, inspizierte seine Hand, als
gehörte sie jemand anderem. Er sagte: »Mach, was du willst. Ich kann dich zu
nichts zwingen. Aber wenn es etwas gibt, was ich gern vor langer Zeit gelernt
hätte, dann ist es das. Ich hätte weniger Unheil angerichtet. Mir selbst und
allen in meiner Umgebung weniger geschadet.«
Diesmal
war ich es, der laut auflachte. »Na, jetzt bin ich aber baff. Hast du da etwa
gerade Verantwortung für irgendwas übernommen? Ich glaube, du pfeifst
tatsächlich aus dem letzten Loch.«
»Spar dir
deinen Spott. Ihr seid erwachsen; wenn ihr euer Leben in den Sand gesetzt habt,
ist das eure Schuld, nicht meine.«
»Wovon zum
Teufel redest du dann?«
»Ich meine
ja nur. Vor fünfzig Jahren sind einige Dinge schlecht gelaufen, und das ging
immer so weiter. Es ist Zeit, dass das aufhört. Wenn ich so vernünftig gewesen
wäre, mich vor langer Zeit damit abzufinden, dann wäre vieles anders gekommen.
Besser.«
Ich sagte:
»Meinst du die Sache mit Tessie O'Byrne?«
»Die geht
dich nichts an, aber pass auf, was du sagst. Deiner Ma soll nicht noch mal das
Herz gebrochen werden, für nichts und wieder nichts. Hast du verstanden?«
Seine
Augen hatten ein fiebriges, beschwörendes Blau, in dem zu viele Geheimnisse wirbelten,
als dass ich sie hätte enträtseln können. Es war die völlig neue Sanftheit
darin — ich hatte noch nie erlebt, dass mein Dad sich darum scherte, wer
verletzt werden könnte -, die mir verriet, dass sich etwas Gewaltiges und
Gefährliches durch die Luft in diesem Raum bewegte. Nach einer ganzen Weile
sagte ich: »Ich bin nicht sicher.«
»Dann
warte, bis du sicher bist, ehe du irgendeine Dummheit machst. Ich kenne meine
Söhne, hab sie schon immer gekannt. Ich weiß genau, dass du deine Gründe
hattest herzukommen. Halt die von diesem Haus fern, bis du dir verdammt noch
mal sicher bist, was du vorhast.«
Draußen
wetterte Ma wegen irgendwas los, und von Jackie war besänftigendes Murmeln zu
hören. Ich sagte: »Ich würde viel dafür geben, wenn ich wüsste, was genau dir
gerade durch den Kopf geht.«
»Ich
sterbe. Ich versuche, ein paar Dinge in Ordnung zu bringen, ehe ich gehe. Und
ich sage dir, weck keine schlafenden Hunde. Wir können es nicht gebrauchen,
dass du hier Ärger machst. Geh zurück zu dem, was du vorher gemacht hast, was
auch immer das war, und lass uns in Ruhe.«
Ich sagte
unwillkürlich: »Dad.«
Auf einmal
sah er gebrechlich aus. Sein Gesicht hatte die Farbe von nasser Pappe. Er
sagte: »Ich kann deinen Anblick nicht mehr ertragen. Mach, dass du rauskommst,
und sag deiner Ma, ich brauch eine Tasse Tee - und sie soll ihn diesmal
anständig stark machen, nicht so
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