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French, Tana

French, Tana

Titel: French, Tana Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Sterbenskalt
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Priorität zu
sehen, also was soll's.«
    Liv sagte,
und auf dem Grund ihrer Stimme lag ein rauer Ton der Erschöpfung: »Das soll wohl
heißen: >Du hättest auf mich hören sollen.<«
    »Nein«,
sagte ich, und das meinte ich ehrlich. Ich erkannte ihre Überraschung daran,
dass sie rasch den Kopf wandte, um mich anzusehen. »Absolut nicht. Das heißt,
dass wir hier beide Mist gebaut haben, du und ich, und dass wir uns jetzt am
besten auf Schadensbegrenzung konzentrieren sollten. Und ich bin sicher, dass
du das bestechend gut hinkriegen wirst.«
    Ihre Miene
war noch immer argwöhnisch und müde, sie wartete auf den Haken bei der Sache.
Ich sagte: »Diesmal ohne Hintersinn, Ehrenwort. Im Moment bin ich einfach nur
froh, dass das Kind dich als Mutter hat.«
    Ich hatte
Liv überrumpelt. Ihre Augen schweiften flatternd von mir weg, und sie bewegte
sich unruhig in ihrem Sessel. »Du hättest mir das gleich erzählen sollen, als
ihr angekommen seid. Ich hab sie ins Bett gebracht, als wäre alles ganz normal
—«
    »Ich weiß.
Aber ich dachte, ein bisschen Normalität würde ihr heute Abend ganz guttun.«
    Sie
bewegte sich wieder, abrupt. »Ich muss nach ihr sehen.«
    »Wenn sie
aufwacht, ruft sie nach uns. Oder sie kommt runter.«
    »Vielleicht
ja nicht. Ich bin gleich wieder da.«
    Und schon
war sie weg, huschte leise wie eine Katze die Treppe hinauf. Diese kleine
Gewohnheit hatte für mich etwas seltsam Tröstliches. Damals, als Holly noch ein
Baby war, lief das dutzendfach pro Abend so ab: Ein Quietschen aus dem
Babyphon, und schon musste Olivia nachsehen, ob das Kind noch schlief, egal,
wie oft ich ihr versicherte, dass es eine kräftige Lunge hatte und uns schon
deutlich zu verstehen geben würde, wenn wir kommen sollten. Liv hatte nie Angst
davor gehabt, dass Holly am plötzlichen Kindstod sterben oder aus dem Bett
fallen und sich den Kopf aufschlagen oder ihr sonst irgendetwas zustoßen
könnte, was Eltern Albträume bereitet. Ihre einzige Sorge war immer nur, dass
Holly mitten in der Nacht aufwachen und sich allein und verlassen fühlen
könnte.
    Olivia kam
wieder rein und sagte: »Sie schläft wie ein Murmeltier.«
    »Gut.«
    »Sie sieht
friedlich aus. Ich spreche dann morgen früh mit ihr.« Sie ließ sich in ihren
Sessel fallen und strich sich die Haare aus dem Gesicht. »Wie geht es denn dir,
Frank? Ich hab noch gar nicht gefragt, aber, Gott, heute Abend, dass muss doch

    Ich sagte:
»Mir geht's gut. Aber ich sollte jetzt los. Danke für den Kaffee. Den hab ich
gebraucht.«
    Liv hakte
nicht weiter nach. Sie fragte nur: »Bist du nicht zu müde zum Fahren?«
    »Kein
Problem. Wir sehen uns dann am Freitag.«
    »Ruf Holly
morgen an. Auch wenn du denkst, du solltest mit ihr nicht über ... über das
alles reden. Ruf sie trotzdem an.«
    »Klar.
Hatte ich sowieso vor.« Ich kippte den Rest meines Kaffees in mich hinein und
stand auf. »Nur damit ich Bescheid weiß«, sagte ich. »Unser Date hat sich wohl
damit erledigt, oder?«
    Olivia sah
mich lange an. Sie sagte: »Wir müssten sehr vorsichtig sein, damit Holly sich
keine falschen Hoffnungen macht.«
    »Das
würden wir hinkriegen.«
    »Weil ich
eigentlich wenig Chancen sehe, dass aus uns noch mal irgendwas wird. Nicht nach
... Gott. Allem.«
    »Ich weiß.
Ich würde es einfach gerne versuchen.«
    Olivia
bewegte sich in ihrem Sessel. Das Mondlicht glitt über ihr Gesicht, so dass die
Augen im Schatten lagen und ich nur den stolzen feinen Schwung ihrer Lippen
sehen konnte. Sie sagte: »Damit du weißt, dass du wirklich nichts unversucht
gelassen hast. Besser spät als nie, denke ich.«
    »Nein«,
sagte ich, »weil ich wirklich sehr, sehr gern mit dir einen Abend verbringen
würde.«
    Ich konnte
spüren, dass sie mich noch immer aus der Dunkelheit heraus beobachtete.
Schließlich sagte sie: »Das würde ich auch gern. Danke, dass du mich gefragt
hast.«
    Für den
berauschenden Bruchteil einer Sekunde wäre ich fast zu ihr gegangen, hätte ich
fast die Hände ausgestreckt, um ... keine Ahnung: sie zu umschlingen, sie an
mich zu pressen, mich auf die Marmorfliesen zu knien und das Gesicht in ihrem
weichen Schoß zu vergraben. Ich bremste mich, indem ich die Zähne so fest
aufeinanderbiss, dass ich mir fast den Kiefer ausgerenkt hätte. Als ich mich
wieder bewegen konnte, trug ich das Tablett in die Küche und ging.
    Olivia
rührte sich nicht. Ich ging hinaus; vielleicht sagte ich gute Nacht, ich weiß
es nicht mehr. Den ganzen Weg bis zu meinem Auto konnte ich sie

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