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French, Tana

French, Tana

Titel: French, Tana Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Sterbenskalt
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und
die Arme ausbreitete, war der schmale Kinderrücken kerzengerade und stahlhart.
    Ich blieb,
wo ich war, zündete mir eine Zigarette an und rauchte sie mit einem einzigen
Zug zur Hälfte runter. Als ich sicher war, meine Stimme ruhig halten zu können,
rief ich Stephen an.
    Er war
irgendwo mit miserablem Empfang, vermutlich tief in den verwinkelten
Räumlichkeiten des Morddezernats in der Dubliner Burg. Ich sagte: »Ich bin's.
Wie läuft's?«
    »Eigentlich
nicht schlecht. Wie Sie gesagt haben, er streitet alles ab, wenn er sich
überhaupt mal zu einer Antwort herablässt. Die meiste Zeit schweigt er, fragt
mich nur hin und wieder mal, ob ich fürs Arschkriechen von Ihnen Fleißkärtchen
kriege.«
    »Tja, er
war schon immer ein Charmeur. Liegt bei uns in der Familie. Lassen Sie das nicht
an sich rankommen.«
    Stephen
lachte. »Nein, nein, keine Sorge. Er kann von mir aus sagen, was er will,
letzten Endes bin ich es jedenfalls, der nach Hause geht, wenn wir hier fertig
sind. Aber jetzt zu Ihnen: Haben Sie irgendwas? Irgendwas, was ihn vielleicht
ein bisschen gesprächiger machen könnte?«
    Er war
voller Energie und bereit, so lange durchzuhalten wie nötig, und seine Stimme
strotzte vor frisch gewonnenem Selbstvertrauen. Er versuchte, taktvoll dezent
zu klingen, aber insgeheim war der Junge regelrecht aus dem Häuschen.
    Ich
erzählte ihm alles, was ich wusste und wie ich es in Erfahrung gebracht hatte,
bis hin zur letzten ranzig stinkenden Einzelheit: Informationen sind Munition,
und Stephen konnte keine Rohrkrepierer in seinem Arsenal gebrauchen. Zum
Schluss sagte ich: »Er mag unsere Schwestern, vor allem Carmel, und meine
Tochter Holly. Mehr ist da nicht, soweit ich weiß. Mich kann er auf den Tod
nicht ausstehen. Er hatte auch was gegen Kevin, aber das gibt er nicht gerne
zu, und er hasst sein Leben. Er ist rasend neidisch auf jeden, bei dem das
anders ist, was Sie mit an Sicherheit grenzender Wahrscheinlichkeit mit
einschließt. Und wie Ihnen wahrscheinlich schon an der einen oder anderen
Stelle aufgefallen ist, er ist jähzornig.«
    »Okay«,
sagte Stephen, dessen Kopf auf Hochtouren arbeitete, fast zu sich selbst.
»Okay, ja. Damit kann ich was anfangen.«
    Der Junge
wurde immer mehr zu einem Mann nach meinem Geschmack. »Ja, mit Sicherheit.
Noch was, Stephen: Bis heute Abend hat er noch geglaubt, er wäre ganz kurz
davor, seinem Leben eine Wende zu geben. Er dachte, er würde den Fahrradladen
kaufen, in dem er arbeitet, unseren Dad in einem Heim unterbringen, ausziehen
und endlich die Chance kriegen, ein lebenswertes Leben zu führen. Noch vor
wenigen Stunden stand dem Mann die Welt offen.«
    Schweigen,
und eine Sekunde lang fragte ich mich, ob Stephen das als Aufforderung
verstanden hatte, auf Mitleid umzuschalten. Dann sagte er: »Wenn ich ihn damit
nicht zum Reden bringe, hab ich's nicht verdient, ihn überhaupt je zum Reden zu
bringen.«
    »Das seh
ich auch so. Ran an den Speck, mein Junge. Und halten Sie mich auf dem
Laufenden.«
    Stephen
sagte: »Wissen Sie noch«, und dann wurde der Empfang so schlecht, dass seine
Stimme sich in ein Wirrwarr von Kratzgeräuschen verwandelte. Ich hörte noch:
»... mehr haben die nicht ...«, ehe die Verbindung zusammenbrach und nur noch
sinnloses Piepen an mein Ohr drang.
    Ich ließ
die Scheibe runter und rauchte noch eine. Auch hier in der Gegend war
weihnachtlich dekoriert worden - Kränze an den Türen, ein Weihnachtsmann, der
sich von einem Dach abseilte —, und die Nachtluft war so kalt und glasig
geworden, dass sie sich endlich winterlich anfühlte. Ich warf meine Kippe weg
und atmete tief durch. Dann ging ich zu Olivias Tür und klingelte.
    Liv machte
in Pantoffeln auf, das Gesicht gewaschen und bettfertig. Ich sagte: »Ich hab
Holly versprochen, dass ich noch reinkomme und gute Nacht sage.«
    »Holly
schläft, Frank. Sie ist schon eine ganze Weile im Bett.«
    »Ach so.
Okay.« Ich schüttelte den Kopf, versuchte, einen klaren Gedanken zu fassen.
»Wie lange war ich denn da draußen?«
    »So lange,
dass ich mich wundere, wieso Mrs Fitzhugh noch nicht die Polizei angerufen hat.
Zurzeit sieht sie nämlich überall Stalker.«
    Aber sie
lächelte, und die Tatsache, dass sie nicht sauer auf mich war, weil ich vor der
Tür stand, löste in mir ein unvermutetes und lächerliches Gefühl von Wärme
aus. »Die Frau war schon immer etwas plemplem. Weißt du noch, als wir mal -«Ich
sah den Rückzug in Livs Augen und bremste mich, ehe es zu spät war. »Du, sag
mal,

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