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French, Tana

French, Tana

Titel: French, Tana Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Sterbenskalt
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ein einziges Mal für vielleicht fünf Minuten, und zwar um kurz nach zwei
Uhr, um in Nummer sechzehn nachzusehen, ob es hinsichtlich des Treffpunktes
eine Verwechslung gegeben hatte und Rose vielleicht dort auf mich wartete.«
    »Irgendein
Grund, warum Nummer sechzehn ein alternativer Treffpunkt hätte sein können?«
Rocky machte sich Notizen in einer Art Privatsteno.
    »Wir
hatten darüber geredet, ehe wir uns für das Ende der Straße entschieden. In dem
Haus trafen sich ständig die Jugendlichen aus der Straße. Wenn du mal Bier
trinken oder rauchen oder knutschen oder sonst was machen wolltest, was deine
Eltern nicht so toll fänden, und es nicht woanders machen konntest, weil du
noch nicht alt genug warst, war Nummer sechzehn genau die richtige Adresse
dafür.«
    Rocky
nickte. »Da hast du also nach Rose gesucht. In welchen Zimmern hast du
nachgesehen?«
    »In jedem
Zimmer im unteren Stockwerk - ich wollte keinen Lärm machen, daher konnte ich
nicht nach ihr rufen. Es war niemand da, ich habe den Koffer nicht gesehen, und
ich habe nichts Ungewöhnliches gesehen oder gehört. Dann bin ich weiter in den
obersten Stock, wo ich auf dem Fußboden im rechten Zimmer nach vorn raus einen
Brief fand, der von Rose Daly unterschrieben war. Der Brief deutete daraufhin,
dass sie beschlossen hatte, allein nach England zu gehen. Ich ließ ihn dort
liegen.«
    »Ich hab
ihn gesehen. Er hat keine Anrede. Wieso bist du davon ausgegangen, dass er für
dich war?«
    Bei der Vorstellung,
wie er den Brief genüsslich las und ihn vorsichtig in einen Beweismittelbeutel
schob, hätte ich schon wieder nicht übel Lust gehabt, ihm eine reinzuhauen, und
das schon, ehe er die nicht besonders zarte Andeutung machte, dass Rosie
Zweifel gekommen waren. Ich fragte mich, was genau die Dalys ihm von mir
erzählt hatten. »Das lag für mich auf der Hand«, sagte ich. »Schließlich war
sie mit mir verabredet. Wenn sie einen Brief hinterlassen hatte, dann konnte
er doch eigentlich nur für mich sein.«
    »Sie hatte
vorher in keiner Weise durchblicken lassen, dass ihr Bedenken gekommen waren?«
    »Absolut
nicht«, sagte ich mit einem breiten Grinsen. »Und wir wissen auch nicht, ob dem
so war, Rocky, oder?«
    »Vielleicht
nicht«, sagte Rocky. Er notierte sich wieder etwas in seinem Büchlein und
blickte mit zusammengekniffenen Augen darauf. »Du bist nicht runter in den
Keller gegangen?«
    »Nein. Da
ging nie einer rein: Der war dunkel, der war baufällig, der wimmelte von
Ratten und der war moderig und stank erbärmlich, deshalb hielten wir uns von da
fern. Ich bin gar nicht auf die Idee gekommen, dass Rosie dort sein könnte.«
    Rocky
klopfte sich mit dem Stift gegen die Zähne und studierte seine Notizen. Ich
kippte ein Drittel von meinem Bier in mich hinein und dachte, so kurz ich
konnte, über die Möglichkeit nach, dass Rosie tatsächlich in dem Keller
gewesen war, während ich oben vor Liebeskummer verging, nur wenige Schritte
entfernt.
    »Stattdessen
bist du also«, sagte Rocky, »obwohl du Rose' Brief als Abschiedsbrief aufgefasst
hattest, wieder zurück ans Ende der Straße gegangen und hast weiter gewartet.
Warum?«
    Seine
Stimme klang sanft, beiläufig, doch ich bemerkte den Machtrausch in seinem
Blick. Der kleine Scheißer genoss jede Sekunde. »Die Hoffnung stirbt zuletzt«,
sagte ich achselzuckend. »Und Frauen ändern schon mal ihre Meinung. Ich
dachte, ich geb ihr die Chance, ihre Meinung noch mal zu ändern.«
    Rocky
stieß ein kurzes männliches Schnauben aus. »Frauen, was? Du hast ihr also drei
oder vier Stunden gegeben, und dann hast du dich vom Acker gemacht. Wo bist du
hin?«
    Ich
erzählte ihm von dem besetzten Haus und den übelriechenden Rockern und der
großzügigen Schwester, vergaß Nachnamen, nur für den Fall, dass er beschloss,
irgendwem Scherereien zu machen. Rocky schrieb emsig mit. Als ich fertig war,
fragte er: »Wieso bist du nicht einfach nach Hause gegangen?«
    »Eigendynamik
und Stolz. Ich wollte sowieso weg, daran hatte Rosies Entscheidung nichts
geändert. England im Alleingang klang nicht mehr so toll, aber wie ein Volltrottel
mit eingezogenem Schwanz zurück nach Hause zu schleichen genauso wenig. Ich
war fest entschlossen zu gehen, also bin ich gegangen.«
    »Mmm«,
sagte Rocky. »Kommen wir noch mal zurück auf die knapp sechs Stunden - also das
nenn ich Liebe, vor allem im Dezember -, die sechs Stunden, die du oben an der
Straße gewartet hast. Weißt du noch, ob irgendjemand vorbeigekommen ist,

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