French, Tana
voller Pracht, die Leute hetzten hektisch
umher, um Einkäufe für das Fest zu machen, und die Straßenhändler verkauften
Geschenkpapier, fünf Bögen das Pfund. Ich stand nicht besonders auf Weihnachten
- der Wahnsinn meiner Ma erreichte jedes Jahr beim Weihnachtsdinner seinen
beeindruckenden Höhepunkt, ebenso wie der Alkoholkonsum meines Dads, irgendwas
ging immer zu Bruch, und wenigstens eine Person brach irgendwann in Tränen aus
-, doch in dem Jahr kam mir das alles unwirklich und gläsern vor, genau an der
Grenze zwischen berückend und bedrückend: Die Privatschulmädchen, die mit
glänzenden Haaren »Joy to the World« für wohltätige Zwecke sangen, kamen mir
ein klein wenig zu adrett vor, die Kinder, die sich die Nasen an den
Schaufenstern von Switzer plattdrückten, um die Märchenszenen zu bestaunen,
wirkten ein klein wenig zu high von all den Farben und Klängen. Ich hielt eine
Hand in der Tasche meines Armeeparkas, während ich durch das Gedränge ging;
gerade an dem Tag wollte ich unter keinen Umständen beklaut werden.
Rosie und
ich trafen uns immer im O'Neill auf der
Pearse Street - es war ein Pub, der bei Trinity-Studenten beliebt war, weshalb
die Wichserquote dort ein bisschen hoch war, aber wir fielen nicht auf, und es
bestand keine Gefahr, irgendwem, den wir kannten, über den Weg zu laufen. Die
Dalys dachten, Rosie wäre mit den Mädels unterwegs, und meine Familie kümmerte
sich eh nicht drum, wo ich steckte. Das O'Neill ist groß,
es wurde schnell sehr voll und füllte sich mit Wärme und Rauch und Gelächter,
doch ich entdeckte Rosies kupferrote Haarpracht auf Anhieb: Sie lehnte an der
Bar, sagte etwas zu dem Barmann, was ihn zum Grinsen brachte. Als sie unsere
Biere bezahlte, hatte ich uns schon einen Tisch in einer netten, ungestörten
Ecke gesichert.
»So ein
Arschloch«, sagte sie, als sie die Gläser auf den Tisch stellte, und deutete
mit einem Nicken auf eine Gruppe feixender Studenten an der Bar. »Wollte mir
in den Ausschnitt glotzen, als ich mich vorgebeugt hab.«
»Welcher?«
Ich war
schon halb aufgestanden, doch Rosie warf mir einen Blick zu und schob mir mein
Bier hin. »Bleib sitzen, Mensch, und trink das. Mit dem komm ich schon allein
klar.« Sie rutschte neben mir auf die Bank, so nah, dass unsere Oberschenkel
sich berührten. »Der Typ da hinten, guck ihn dir an.«
Rugbytrikot,
keinen Hals, und er drehte sich gerade von der Bar weg, in jeder Hand zwei
Gläser, was eine riskante Angelegenheit war. Rosie winkte ihm zu, um wieder
seine Aufmerksamkeit auf sich zu lenken, dann klimperte sie mit den Wimpern,
beugte sich vor und fuhr mit der Zungenspitze in kleinen Kreisen durch den
Schaum von ihrem Bier. Die Augen von Rugby-Boy quollen hervor, sein Mund
klappte auf, er blieb mit einem Fuß an einem Hocker hängen und kippte jemandem
einen Schwall Bier über den Rücken. »So«, sagte Rosie, zeigte ihm den
Stinkefinger und vergaß ihn gleich wieder. »Hast du sie?«
Ich schob
eine Hand in meine Jacke, die ich über die Armlehne der Bank gehängt hatte, um
sie im Auge behalten zu können, und holte den Umschlag raus. »Da«, sagte ich,
»für uns«, und dann fächerte ich die beiden Fahrkarten auf und legte sie auf
den verkratzten Tisch zwischen uns.
DUNLAOGHAIRE-HOLYHEAD,
ABFAHRT06.30 UHR, MONTAG, 16. DEZEMBER. BITTE SPÄTESTENS 30 MINUTEN VOR
ABFAHRT AN DER FÄHRE SEIN.
Beim
Anblick der Fahrkarten schoss mir wieder Adrenalin ins Blut. Rosie entfuhr der
Atem mit einem erstaunten kleinen Lachen.
Ich sagte:
»Ich hab mir gedacht, das Boot am frühen Morgen ist besser. Wir hätten auch
über Nacht fahren können, aber es wäre schwerer, schon am Abend mit unseren
Sachen aus dem Haus zu kommen. So können wir Sonntagnacht zum Hafen, sobald die
Luft rein ist, und dann warten wir da, bis wir auf die erste Fähre können. Ja?«
»Gott«,
sagte Rosie nach einem Moment, noch immer atemlos. »Mein Gott. Ich finde, wir
sollten -« Sie schob den Arm um die Fahrkarten, schirmte sie vor den Leuten am
Nachbartisch ab. »Du weißt schon.«
Ich
verschränkte meine Finger mit ihren. »Wir sind hier sicher. Wir haben doch noch
nie jemanden gesehen, den wir kennen, oder?«
»Wir sind
immer noch in Dublin. Ich werd mich erst sicher fühlen, wenn die Fähre aus Dun
Laoghaire raus ist. Steck sie wieder ein, ja?«
Ich verzog
das Gesicht. »Kannst du sie nicht
aufbewahren? Meine Ma durchsucht regelmäßig unsere Sachen.«
Rosie
grinste. »Wundert mich nicht. Würde mich auch nicht wundern,
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