Freu dich des Lebens
ob mein Haus eigentlich mit Metallträgern oder aus Hohlziegeln gebaut sei. Er sagte, er wisse es nicht, und erzählte mir, was mir längst bekannt war: dass ich mich bei der zuständigen Siedlungsgenossenschaft erkundigen könne. Anderntags erhielt ich einen Brief von ihm. Ich dachte erst, dass er mir nun die Antwort auf meine Frage schicke. Ich hätte sie am Telefon in sechzig Sekunden erfahren können. Aber dem war nicht so. Er wiederholte nur nochmals, dass ich bei der besagten Genossenschaft nachfragen könne, und schlug mir vor, bei ihm eine Versicherung abzuschließen.
Es lag ihm nichts daran, mir zu helfen. Er war einzig daran interessiert, sich selbst zu helfen.
Ein Bekannter von mir erlebte ein Musterbeispiel, wie verschieden sich zwei Vertreter ein und derselben Gesellschaft in der genau gleichen Situation verhalten haben.
»Vor mehreren Jahren gehörte ich zu den leitenden Angestellten eines kleinen Unternehmens. Nicht weit von uns befand sich die Zweigstelle einer großen Versicherungsgesellschaft. Sämtliche Vertreter dieser Gesellschaft hatten ihr bestimmtes Einzugsgebiet, und unser Unternehmen befand sich im Sektor von zwei Vertretern, die ich hier als Carl und John bezeichnen möchte.
Eines Morgens kam Carl zu uns ins Büro und erwähnte beiläufig, seine Gesellschaft hätte eine ganz neuartige Lebensversicherung für leitende Angestellte eingeführt. Er dachte, das würde uns vielleicht interessieren, und versprach, wieder vorbeizukommen, sobald er uns genauere Angaben machen könne.
Noch am gleichen Tag erblickte uns John auf der Straße, als wir eben von einer Kaffeepause kamen, und rief: ›He, Lukas, warten Sie einen Moment, ich habe eine große Sache für euch Jungs.‹ Er eilte über die Straße und erzählte uns ganz aufgeregt von einer neuen Lebensversicherung für Angestellte in leitender Stellung, die seine Gesellschaft gerade an diesem Tag eingeführt hatte. (Es war die gleiche Versicherung, die Carl beiläufig erwähnt hatte.) Er wollte unbedingt, dass wir als erste davon profitierten. Er nannte uns ein paar wichtige Vorteile und meinte abschließend: ›Die Sache ist noch so brandneu, dass ich auf morgen jemand von der Generalagentur bestellt habe, um uns alles genau zu erklären. Aber inzwischen können wir schon mal die Anträge aufsetzen und unterzeichnen, dann haben wir morgen gleich ein paar Übungsbeispiele.‹ Mit seiner Begeisterung weckte er in uns das Verlangen nach dieser Versicherung, obschon wir noch keine Einzelheiten kannten. Doch diese bestätigten später Johns erste Angaben, und er konnte nicht nur mit jedem von uns eine Police abschließen, sondern die Summe nach einiger Zeit sogar verdoppeln.
Carl hätte diese Abschlüsse ebenfalls tätigen können, aber er hatte sich nicht bemüht, in uns den Wunsch nach dieser Versicherung zu wecken.«
Die Welt ist voll habgieriger, selbstsüchtiger Menschen. Deshalb haben die wenigen, die selbstlos versuchen, anderen zu dienen, einen ungeheuren Vorteil. Sie stehen praktisch konkurrenzlos da. Der berühmte Anwalt und einer der größten Wirtschaftsführer Amerikas, Owen D. Young, sagte einmal: »Ein Mensch, der sich in die Lage der anderen versetzen kann und Verständnis aufbringt für deren Überlegungen, braucht um seine Zukunft nicht zu bangen.«
Wenn Sie aus diesem Buch nur das eine lernen: die Dinge vermehrt vom Standpunkt des anderen aus zu überdenken, sie mit seinen Augen zu betrachten, dann ist es leicht möglich, dass sich diese Lehre als Markstein in Ihrer Karriere erweist.
Den Standpunkt des anderen zu berücksichtigen und in ihm den dringenden Wunsch nach einer bestimmten Sache zu wecken, will nicht heißen, dass man den anderen so lange beschwatzen soll, bis er etwas tut, das nur zu Ihrem Vorteil und für ihn von Nachteil ist. Jede Partei muss bei einem solchen Handel gewinnen. Der Brief an Mr. Petersen verhieß sowohl dem Verfasser wie dem Empfänger einen Vorteil, wenn die darin enthaltenen Anregungen befolgt wurden. Sowohl die Bank wie Mrs. Anderson profitierten von ihrem Brief, indem die Bank zu einer tüchtigen Angestellten und Mrs. Anderson zu einem passenden Job kam. Und auch die Lebensversicherung, die John an Mr. Lukas verkauft hat, bringt beiden Parteien einen Vorteil.
Ein anderes Beispiel, wie alle dabei gewinnen können, wenn man nach dem Prinzip verfährt, im anderen das Bedürfnis zu wecken, das zu tun, was man von ihm wünscht, lieferte uns Michael Widden. Michael ist Vertreter der
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