Freudsche Verbrechen. Ein Mira-Valensky-Krimi
Handgriffe in der Küche. Ich wusch den Hummer, schälte Karotten, Zwiebel, schnitt sie und zwei Stangen Sellerie in feine Scheiben.
Bernkopf hatte auf meine Reportage sehr wütend reagiert. Aber das war wahrscheinlich ganz normal. Immerhin war sein Haus in Zusammenhang mit dem Mordfall erwähnt worden. Was hatte die Birkengasse 14 mit der Toten zu tun? Oder war alles nur ein Zufall?
Ich zerteilte den Hummer. Zuerst wurde der Schwanz abgeschnitten und ausgelöst. Ich musste grinsen, „Schwanz ab“, das Motto der Feministinnen in den Sechziger- und Siebzigerjahren. Dann riss ich dem Hummer die Beine aus, zwickte die beiden Scheren ab und öffnete den Körper. Wunderschön, kein stinkender Darminhalt, ich konnte alles verwenden.
Der Mörder hatte mitgenommen, was die Tote hätte identifizieren können. Das sah nach einer sorgfältig geplanten Aktion aus und sprach gegen einen Verrückten. Ach was, an den hatte ich ohnehin nie so recht geglaubt. Die meisten Opfer kannten ihre Täter. Oft sogar waren sie mit ihnen verwandt. Wer war die junge Frau?
Und: Warum war sie ausgerechnet im Freud-Museum ermordet worden?
Ich gab Butter in meinen Druckkochtopf, röstete das Gemüse an und warf dann den Körper, die Beine, die Scheren und den Schwanzpanzer dazu. Kräftiges Feuer, rühren, bis alle Teile schön rot waren. Ein guter Schuss Cognac. Ein langes Zündholz, mit blauen Flammen brannte der Cognac. Um ihn zu testen nahm ich selbst auch einen Schluck aus der Flasche. Ich spürte, wie ich von Minuten zu Minute ausgeglichener wurde. Jetzt mit Wasser aufgießen, nicht mehr, als dass gerade die meisten Hummerteile bedeckt waren. Pfefferkörner, Neugewürzkörner, Salz.
Und dann musste das Ganze eine halbe Stunde kochen.
Vielleicht lag der Schlüssel zum Mordfall im Museum. Ulrike würde mir mehr über Freud erzählen müssen. Seltsam, einer Schulkollegin unter diesen Umständen wieder zu begegnen. Wer von uns hätte sich das vor einem Vierteljahrhundert im Gymnasium gedacht? Damals, so mit sechzehn, siebzehn waren die meisten von uns ganz versessen darauf gewesen, zu heiraten und Kinder zu bekommen. Die wenigen anderen waren zu jeder Nicaragua-Demonstration gelaufen und hatten „Ende mit dem Imperialismus“ gebrüllt. Ulrike hatte zur ersten Gruppe gehört, ich zur zweiten.
Ich fischte mir aus dem Kühlschrank mein heutiges Abendessen. Sushi und Maki von einem der besten japanischen Restaurants in der Stadt. Auch das gehörte zum Mira-Valensky-Verwöhnungsprogramm. Viel von der scharfen, grünen Washabi-Paste, eine exzellente biologische Sojasauce, meine Lieblingsstäbchen. Dazu eine Flasche Wein. Ich ging ins Vorzimmer zu meinem doppeltürigen Weinschrank und überlegte lange. Dann entschied ich mich für einen echten Österreicher. Rheinriesling Kabinett, von meinem Lieblingsweinbauern aus dem Weinviertel. Auch einer, den ich dringend wieder einmal besuchen sollte.
Ich ließ mich mit meinem Essen am Küchentisch nieder. So hatte ich den Hummertopf im Blick und, was noch viel besser war, ich konnte das feine Hummeraroma riechen.
Ich schob mir ein Sushi mit Butterfisch in den Mund. Es zerging förmlich auf der Zunge. Ob man herausfinden würde, wer die Tote war? Früher oder später mit ziemlicher Sicherheit. Interpol war eingeschaltet worden, irgendwo saßen Eltern und vermissten ihre Tochter. Irgendwo waren Freunde und fragten sich, wo ihre Freundin geblieben war. Bis jemand von ihnen zur Polizei ging, konnte allerdings noch dauern. Die junge Frau war vielleicht für einige Wochen auf Urlaub gefahren. Aber dann hätte sich wohl das Hotel oder die Pension schon gemeldet. In ihrem kleinen gelben Rucksack war nicht einmal eine Zahnbürste gewesen. Vielleicht war sie davongelaufen. Vor ihren Eltern oder vor einem prügelnden Ehemann, den sie viel zu früh schon mit sechzehn geheiratet hatte. Oder sie hatte untertauchen müssen, nachdem sie in irgendeine Drogensache verwickelt gewesen war. So hatte sie allerdings nicht ausgesehen. Eher etwas unscheinbar, brav und so, als ob sie eben erst zu leben begonnen hätte. Vorbei.
Ich tunkte ein Maki fest in die Sojasauce.
Als ich dreizehn gewesen war, war auch ich einmal von zu Hause ausgerissen. Ich hatte mein Tagebuch mitgenommen, ein dickes, leeres Heft und einige Kugelschreiber, etwas Unterwäsche, ein T-Shirt und eine Viererpackung Mannerschnitten. Meine Idee war es gewesen, nach Süditalien zu trampen. Dort, so hatte ich gelesen – und ich las in dieser Zeit sehr viel
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