Freunde müssen töten - Thriller (German Edition)
Finanzielle. Dann erhalten Sie ein File.“
„Ich weiß ja nicht einmal, wer Sie sind! Ihre Stimme ist verzerrt, wie soll ich ...“
„Keine Angst, ich kenne Sie und melde mich, wenn es an der Zeit ist“, schnitt ihr die Stimme das Wort ab, dann wurde die Verbindung abrupt getrennt und das gleichförmige Tuten der toten Leitung vermischte sich mit dem Pochen in Kims Kopf.
Kim blieb an ihrem Schreibtisch sitzen und überlegte, ob sie dem Chefredakteur von diesem merkwürdigen Telefonat berichten sollte. Sie warf einen kurzen Blick nach hinten in den Glaskasten, in dem ihr Chef, dieser Schnösel, saß und ständig mit Handy und Tablet-PC kommunizierte. Natürlich wäre das ein schöner Knalleffekt, wenn sie die sieben verschwundenen Mädchen und die Verbindung zu Laura Pestalozzi bei der Pressekonferenz einwerfen würde. Doch besser erschien es ihr, die Informationen für sich zu behalten und erst das Treffen mit dieser mysteriösen Frau abzuwarten. Dann konnte sie noch immer ihren Chefredakteur informieren und sich wieder seine klugen Sprüche anhören, wie eine verkaufsfördernde Headline zu formulieren sei.
„Na, Kim, gestern wieder eine lange Nacht gehabt?“, riss sie eine Stimme aus ihren Überlegungen. Schnell von der Sportredaktion setzte sich ungeniert auf ihren Schreibtisch und fuhr sich mit dem Zeigefinger unter den Augen entlang. „Schwarze Ringe“, klärte er Kim auf, so als hätte sie seine Geste nicht kapiert.
„Schnell, ich habe überhaupt keine Zeit für deine müden Scherze!“, fuhr ihn Kim bissig an. Schnell zuckte überrascht zurück und rutschte von ihrem Schreibtisch.
„Du hältst dich wohl für etwas Besseres, Kim. Aber du bist nur eine kleine Gerichtsreporterin.“
Kim setzte ihren Schlafzimmerblick auf und säuselte: „War’s das, mein Süßer? Ich muss zu einer Pressekonferenz!“
Achselzuckend drehte sich Schnell um und verschwand wieder hinter seinem Paravent. Kim lächelte, als sie sich auf den Weg zur Pressekonferenz machte. Der Auftritt hatte doch sein Gutes gehabt, denn sie hatte völlig auf das Pochen in ihrem Kopf vergessen.
Verbrechen und Mord, zwischen diesen beiden Polen bewegte sich das Leben von Kim. Verbrechen und Mord, diese beiden Worte waren Symbole für Verzweiflung und Hysterie, für Gier und Hass, für Gewalt und Erniedrigung, für Zerstörung und Auslöschung.
Für Kim bedeutete es, zwischen diesen beiden Polen, die sich wie träge Mühlsteine aufeinander zubewegten, nicht zerrieben zu werden. Jeder Tag forderte sie erneut, jeder Tag saugte ein wenig Kraft aus ihrem Körper, jeder Tag verhärtete ihr Herz ein Stück mehr. Jeden Morgen, wenn sie von ihrem Handy geweckt wurde und sie sich wie zerschlagen fühlte, wenn sie sich in ihrer Single-Wohnung alleine einen Kaffee braute, dabei manchmal an lang zurückliegende Liebschaften dachte, musste sie sich von Neuem motivieren und auf die Suche nach deprimierenden Schicksalen machen, die sich zu fetten Schlagzeilen verdichten ließen.
Am wichtigsten war aber das gleichgültige Dahintreiben, knapp über dem Boden dieser gewaltbereiten Stadt, nur gelegentlich gestattete sie sich eine Berührung mit den traurigen Existenzen. Dieses gelegentliche Antippen an tragischen Schicksalen bedeutete aber auch, dass sie mit den Jahren einen Panzer aus Coolness und Gleichgültigkeit zugelegt hatte. Das galt besonders, wenn sie ihre Interviews mit Hinterbliebenen oder Opfern führte.
Dieses Leben in der Dunkelheit mit nur sporadischen Ausflügen in eine harmonische Wirklichkeit hatte dazu geführt, dass sich in Kims hübsches Gesicht bereits mit Ende dreißig zwei scharfe Falten von den Nasenflügeln zu den Mundwinkeln eingekerbt hatten, zwar nur andeutungsweise und bei günstiger Beleuchtung leicht zu kaschieren, aber trotzdem waren sie vorhanden. Seltsamerweise konnte sie sich den Verfall ihres Gesichts in einigen Jahren nicht vorstellen, so weit würde es nicht kommen.
Sie versuchte, sich von den schrecklichen Schicksalen zu distanzieren, mit denen die „Morgenpost“ täglich ihre Leser fütterte und so mit allen Mitteln versuchte, die Auflage zu steigern. Denn um die finanzielle Situation der Zeitung war es alles andere als gut bestellt, deshalb erhoffte man sich auch mit der ausufernden Berichterstattung über den Pestalozzi-Mord einen Aufschwung, der beständig war und auch die nervösen Investoren überzeugen würde.
Aus diesem Grund hatte Kim auch am Morgen vor dem merkwürdigen Telefonat bereits einige
Weitere Kostenlose Bücher