Freunde müssen töten - Thriller (German Edition)
eines Linzer Künstlers. In den 60er-Jahren hatte dieser ein Faible für geschwungene und möglichst bunte Glasleuchten entwickelt und so hingen die verstaubten und teilweise beschädigten Kugeln in allen Farben und Abwandlungen von der messingverzierten Decke. Die Wände waren mit riesigen knallbunten Siebdrucken geschmückt, die Film-Stills aus klassischen Kriminalfilmen darstellten: der „Malteser Falke“ oder „Vertigo“. Stühle und Teppichboden strahlten in orange-violettem Ornamentmuster und waren extra für die Pressekonferenz frisch gereinigt worden. Der große Saal war der erklärte Stolz des Polizeipräsidenten und dem Vernehmen nach bemühte er sich schon seit Längerem, ihn unter Denkmalschutz stellen zu lassen.
Als Polizeipräsident Wagner, der Psychiater Goldmann, Oberstaatsanwalt Ritter und als Letzter Tony Braun auf dem Podium Platz genommen hatten, startete wie auf Kommando das einschüchternde Klicken und Surren der Kameras und Fotoapparate. Mikros wurden auf dem Podium in Stellung gebracht, Kameras mit Laserpointern wie Schusswaffen eingestellt und eine erwartungsvolle Stille senkte sich über den Raum, als Big Boss Wagner die anwesenden Journalisten mit den üblichen Floskeln begrüßte und dann sofort zu Goldmann überleitete. Gelangweilt ließ Braun den Blick über die Reihen der Journalisten gleiten. Viele von ihnen kannte er vom Sehen, einige mit Namen, aber es waren auch viele dabei, die Braun noch nie gesehen hatte. Eine ermordete Miss World war für Linz eine große Sache, da machten alle Zeitungen, Fernsehstationen, die Internetradios und Web-TV-Stationen mobil. Jeder wartete auf die perfekte Schlagzeile, die enthüllende Backgroundstory, jeder wollte der Erste sein, der seine Leser mit den entscheidenden Details fütterte.
In der vorletzten Reihe entdeckte Braun auch Kim Klinger, die eingekeilt zwischen einem existenzialistischen Webradio-Reporter mit schwarzer Hornbrille und dem Fotografen des Citymagazins, der ständig sein Objektiv überprüfte, saß. Ihr träger Blick erfasste Braun, wich ihm nicht aus und für einen kurzen Moment starrten sie sich intensiv an und warteten nur darauf, wer zuerst nachgab. Doch beide waren stur und nach einiger Zeit verlor das Spiel seinen Reiz.
Gelangweilt ließ Braun seinen Blick weiter durch den Saal schweifen und entdeckte auch Peter Klein, der für Big Boss Wagner als Fahrer eingesetzt war. Klein war aber mehr als Wagners Chauffeur, er war Wagners Gedächtnis, dessen rechte Hand und erinnerte ihn ständig an wichtige Termine. Klein schien sich auch für das Thema der Pressekonferenz zu interessieren, denn er reckte den Kopf wissbegierig Richtung Podium, um alles noch besser erfassen zu können.
Nachdem Goldmann eine Kurzfassung seines Gutachtens vorgetragen hatte, ging ein wütendes Raunen durch die versammelten Journalisten, es brandete wie eine Woge gegen das Podest, Fragen prasselten wie Wellen über die Tische und um der allgemeinen Aufregung wieder Herr zu werden, erhob sich Wagner, hielt besänftigend die Hände nach vorne, wie ein Dirigent, der sein wild gewordenes Orchester wieder disziplinieren muss.
„Meine Damen und Herren, ich bitte Sie!“, schrie er in die Menge. „Professor Goldmann ist ein international anerkannter Psychiater! Sein Urteil hat Gewicht!“
„Keine Verhandlung! Der Mörder bleibt ungeschoren!“, schwappte es wütend aus der Meute nach oben.
„Keineswegs! Gregor Pestalozzi kommt in eine psychiatrische Anstalt für geistig abnorme Verbrecher!“
„Stimmt es, dass er ein Schachbrettmuster auf den Bauch seiner toten Schwester gemalt hat und dann auf der Leiche Schach gespielt hat?“
„Nein, das ist blanker Unsinn! Pestalozzi hält sich allerdings manchmal für einen früheren Schachweltmeister, das stimmt schon“, mischte sich Goldmann ein, „das hat allerdings nichts mit dem Mord zu tun. Gregor Pestalozzi ist ein armer Mensch! Er ist verzweifelt, gefangen in seiner Unfähigkeit, normal zu kommunizieren!“
„Kommt es zu einer Verhandlung, wenn er wieder zurechnungsfähig ist?“
„Das kann man zum jetzigen Zeitpunkt nicht sagen. Aber ich kann Sie beruhigen, der Geisteszustand von Gregor Pestalozzi wird von anerkannten Fachleuten laufend überprüft. Ist er zurechnungsfähig, gibt es natürlich einen Prozess.“ Oberstaatsanwalt Ritter beugte sich zu einem der Mikrofone, vermied jedoch den Blickkontakt mit den wüst durcheinanderrufenden Journalisten.
„Chefinspektor Braun, wie ist Ihre
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