Frieden auf Erden
vernahm eine menschliche Stimme, schwach und fern, aber deutlich.
»Hier Eule. Hier Eule. Bitte melden!«
Ich steckte die Olive ins Ohr und kam sofort auf die richtige Antwort.
»Hier Maus. Hier Maus. Ich höre.«
»Guten Abend.«
»Sei gegrüßt«, gab ich zurück, zog, da es nach einem längeren Gespräch aussah, die Fenstervorhänge zu und drehte noch einmal den Schlüssel im Schloß herum. Mittlerweile hatte ich Lax auch an der Stimme erkannt.
»Wir können uns ganz ungezwungen unterhalten«, sagte er und kicherte. »Niemand kann zuhören, das Scrambling habe ich selber ausgeheckt. Trotzdem ist es besser, wenn ich die Eule bleibe und Sie die Maus. Okay?«
»Okay«, sagte ich und löschte auch noch das Licht.
»Das hast du sehr schlau angefangen«, erklärte mein Gesprächspartner. »Ich wußte sofort Bescheid, es war nicht allzu schwer.«
»Aber wie …«
»Es ist für die Maus besser, wenn sie nicht zu viel weiß. Wir verständigen uns jetzt zwar nach der Art von Spitzbuben, die Maus soll aber wissen, daß hier ein verläßlicher Partner sitzt. Wir haben vor uns verschiedene Teile eines Puzzles. Die Eule fängt an: Der Staub ist kein Staub, es sind Mikropolymere von sehr interessantem Bau und mit Supraleitfähigkeit bei Zimmertemperatur. Einige haben sich mit den Resten des armen Kerls vereinigt, der auf dem Mond geblieben ist.«
»Was bedeutet das?«
»Für eine gesicherte Antwort ist es zu früh. Vorläufig habe ich nur mehrere Vermutungen. Durch Beziehungen habe ich mir eine Prise von dem Pulver verschafft. Wir haben eine halbe Stunde Zeit, dann geht das, was zwischen uns die Verbindung hält, hinter deinem Horizont unter. Bei Tage konnte ich mich nicht melden, wir hätten dann zwar mehr Zeit gehabt, aber das Risiko wäre größer gewesen.«
Ich war entsetzlich neugierig, wie Lax mir dieses metallene Insekt hatte schicken können, begriff aber, daß ich nicht fragen durfte.
»Ich höre weiter«, sagte ich.
»Meine Befürchtungen haben sich bestätigt, allerdings mit umgekehrtem Vorzeichen. Ich hatte angenommen, auf dem Mond werde aus dem entstandenen Wirrwarr etwas entstehen, ahnte aber nicht, daß es etwas sein könnte, das sich unseres Boten bedient.«
»Geht es nicht deutlicher?«
»Ich müßte unnötigerweise in den Jargon der Techniker verfallen. Ich sage das, was ich für die Wahrheit halte, in möglichst einfachen Worten. Es ist zu einer immunologischen Reaktion gekommen, natürlich nicht auf der gesamten Mondoberfläche, aber zumindest an einer Stelle. Von dort aus hat die Expansion der Nekrozyten eingesetzt. Diesen provisorischen Namen habe ich für den Staub erfunden.«
»Woher stammen diese Nekrozyten, und was machen sie?«
»Sie stammen aus den Trümmern der Bits und Logosbauteile. Einige von ihnen können Sonnenenergie aufnehmen. Das ist auch gar nicht verwunderlich, denn es hat dort sehr viele Systeme mit Fotoelementen gegeben. Ich schätze ihre Menge auf viele Milliarden. Der Witz liegt darin, daß der Mond sozusagen eine allmähliche Immunität gegen jedwede Invasion gewonnen hat. Nur bitte ich, nicht zu meinen, dort sei Intelligenz entstanden. Bekanntlich sind wir mit der Gravitation und dem Atom fertig geworden, nicht aber mit dem Schnupfen oder der Grippe. Auf der Erde sind Biozönosen entstanden, und so könnte man sagen, daß es auf dem Mond zu einer Nekrozönose gekommen ist – von diesem ganzen Durcheinander her, aus diesen gegenseitigen Angriffen und Wühlarbeiten. Mit einem Wort, das System von Schild und Schwert hat, ohne Willen und Wissen seiner Programmierer, im Sterben als Nebenprodukt die Nekrozyten hervorgebracht.«
»Was machen die denn nun eigentlich?«
»Erstens werden sie, wie ich meine, die Rolle der ältesten irdischen Bakterien erfüllt, sich also einfach nur vermehrt haben. Sicher hat es viele Arten gegeben, und die meisten sind, wie es die Evolution mit sich bringt, ausgestorben. Nach einiger Zeit sind symbiotische Gattungen aufgetreten, solche also, die zusammenarbeiten, weil es allen Seiten nützt. Aber ich sage noch einmal: keinerlei Intelligenz, nichts dergleichen. Sie sind – wie etwa die Grippeviren – lediglich zu einer großen Modifikationsvielfalt imstande. Im Unterschied zu den irdischen Bakterien sind sie keine Parasiten, weil sie gar keine Wirte haben konnten, sieht man von den Rechnerruinen ab, aus denen sie schlüpften. Diese waren ja nur der anfängliche Nährboden. Die Sache komplizierte sich dadurch, daß es inzwischen zu
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