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Friedhof der Unschuldigen: Roman (German Edition)

Friedhof der Unschuldigen: Roman (German Edition)

Titel: Friedhof der Unschuldigen: Roman (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Andrew Miller
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Orangenwasser. »Was, wenn deine Leute nicht für Sagnac arbeiten wollen?«
    »Warum sollten sie nicht für ihn arbeiten?«
    »Vielleicht mögen sie ihn nicht.«
    »Sie müssen ihn nicht mögen. Ich weiß auch nicht, ob sie mich mögen. Und es wäre ja nur für vierzehn Tage. Weniger, wenn du möchtest. Willst du denn meine Mutter nicht kennenlernen?«
    »Doch«, sagt Héloïse. »Es macht mir nur ein bisschen angst, das ist alles. Wir leben … in ungeordneten Verhältnissen.«
    Er tritt näher an sie heran. Am Morgen sieht er ihr Gesicht besonders gern. »Sie ist ein guter Mensch«, sagt er und ergreift ihre wasserkalten Finger.
    Sie fängt zu lachen an. Er stimmt ein, ein leises, zischendes Gelächter, das von einem unwahrscheinlich lauten Niesen aus dem Zimmer darunter unterbrochen wird, einer ersten Eruption, der eine rasche Serie weiterer folgt.
    »Monsieur Monnard«, sagt Héloïse, »hat sich bei Marie einen Schnupfen geholt.«
    »Ich hatte mich schon gefragt«, sagt Jean-Baptiste, »ob Monnard … Ob er und Marie … ist das denn möglich?«
    »Vergangenen Sonntagnachmittag«, sagt Héloïse, »habe ich wahrhaftig die seltsamsten Geräusche vom Dachboden kommen hören.«
    »Geräusche?«
    »Wie wenn jemand ein Kind mit der Rute züchtigt.«
    »Und jetzt haben sie sich beide erkältet«, sagt Jean-Baptiste.
    »Arme Madame«, sagt Héloïse.
    »Sie sollte ins Dauphiné gehen«, sagt Jean-Baptiste. »Ich weiß nicht, warum sie das nicht tut.«
    »Oder sie könnte hierher zurückkommen.«
    »Was? Ziguette? Könntest du mit einer Mörderin im Haus ruhig schlafen?«
    »Sie ist keine Mörderin, Jean. Aber nein, ich könnte nicht mir ihr unter einem Dach wohnen. Wir würden etwas anderes finden müssen. Zum Beispiel, sagt Lisa, gibt es ganz in ihrer Nähe, in der Rue des Ecouffes, eine schöne Wohnung. Ein Notar und seine Frau haben sie gemietet, aber sie sollen im September ausziehen.«
    »Nur zum Beispiel, wie?«
    »Eine eigene Wohnung«, sagt sie.
    »Wir hätten Armand als Nachbarn.«
    »Damit würden wir fertig«, sagt sie. »Denkst du darüber nach, Jean?«
    »Ja.«
    »Versprichst du es?«
    »Ich verspreche es.«
    Sie lösen sich voneinander, ziehen sich weiter an. Er knöpft sich am Fenster die Weste zu, schaut hinab auf das schwankende Zelttuchverdeck eines vorbeifahrenden Karrens, den er gut kennt: M. Hulot et Fils, Déménageurs à la Noblesse.
    Was hat ihn eigentlich veranlasst, so plötzlich vom Wegfahren zu reden? Licht auf einem Kaminaufsatz? War es das? Die Hälfte der Zeit, so scheint es, weiß man nicht, was man denkt, was man will. Doch der Gedanke ist nicht so abwegig. Sagnac wäre für einen bestimmten Preis wahrscheinlich einverstanden. Was die Bergleute angeht, warum sollen sie etwas dagegen haben, solange sie bekommen, was ihnen zusteht? Er versucht es sich vorzustellen, er und Héloïse in der grünen Landschaft, wie sie sorglos im Wald spazierengehen, sich mit dem Rücken an Heumieten lehnen, im Bach Forellen erspähen, seine Mutter sie segnet … Es sich vorzustellen ist nicht so einfach, wie er sich das wünschen würde. Er sieht eher vor sich, wie er sich die ganze Zeit wegen des Friedhofs Sorgen macht und dann irgendeinen Vorwand findet, schleunigst zurückzufahren.
    »Heute werde ich Ochsenschwanz kaufen«, sagt sie. »Der Schlachter Sanson hat es mir versprochen. Das wird den Männern schmecken. Ich werde ihn mit Zwiebeln, Knoblauch, Tomaten, Thymian und viel Rotwein kochen, vielleicht auch mit ein paar Schweinsfüßen. Ein Schweinsfuß passt ausgezeichnet in einen solchen Eintopf. Die Brühe wird davon viel kräftiger. Hat deine Mutter manchmal Schweinsfüße für euch gekocht, Jean? Ist das in der Normandie kein übliches Gericht? Jean … Was machst du denn da?«
    Er ist vom Fenster zur Frisierkommode gegangen, sitzt davor und starrt in den blau schimmernden Spiegel.
    »Bekommst du wieder Kopfschmerzen?« fragt sie, geht zu ihm und legt ihm sanft die Hände seitlich an den Kopf.
    »Nein«, sagt er. »Überhaupt nicht.«
    »Ich hätte Ziguette nicht erwähnen sollen.«
    »Das macht nichts.«
    »Aber du runzelst die Stirn.«
    »Mir ist nur gerade aufgefallen«, sagt er, »dass ich allmählich dem alten Dudo ähnle.«
    »Dudo? Wer ist Dudo?«
    Er sucht ihren Blick im Spiegel, grinst sie an. »Einer von unseren Baratte-Bauern«, sagt er. »Der echteste.«
     
    Die Sonne enthält schon viel Hitze. Sie strömt in die Rue aux Fers, strömt in seine Schädelknochen. Am anderen Ende der

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