Friedhof für Verrückte
ich bescheiden.
Ich ging wieder ins Haus und brachte Josef und Maria nach Bethlehem, stellte die weisen Männer in Positur, setzte das Baby in die Wiege aus Stroh, und die Tiere schauten mit ungläubigen Augen zu; mitten in der Nacht kamen Kamelkarawanen, eigenartige Sterne und wundersame Geburten. Ich hörte, wie Crumley hinter mir sagte: »Armer heiliger Sepp.«
Er wählte die Auskunft an.
»Hollywood?« fragte er. »St. Sebastians Kirche?«
60
Um halb vier ließ mich Crumley vor der Kirche St. Sebastian aussteigen.
Er betrachtete mein Gesicht und erriet meine Gedanken.
»Laß es sein!« raunzte er. »Du hast diesen besoffenen Ausdruck der Trapezkünstler. Was soviel heißt wie: du stolperst, aber ich falle die Treppe runter!«
»Crumley!«
»Herrgott noch mal, und dieser Wettlauf durch die Knochenhaufen und unter der Mauer hindurch? Denk doch an Roy, der nicht mehr auftaucht, an den blinden Henry, wie er mit seinem Stock auf die Luft einschlägt, um Gespenster zu verjagen, und denk an Constance, die heute abend wieder erschrecken könnte, und dann kommt sie und reißt mir meine Scheuklappen herunter. Es war meine Idee, dich hierherzubringen! Aber jetzt stehst du da wie ein hyperintelligenter Clown, der jeden Augenblick von der Klippe springt!«
»Armer heiliger Mann. Armer Sepp. Armer Priester«, entgegnete ich.
»Oh, nein, bloß das nicht!«
Und Crumley fuhr davon.
61
Ich spazierte durch eine Kirche, die in ihren Ausmaßen recht bescheiden war, von der Einrichtung her jedoch so reichhaltig ausstaffiert, daß sie vor lauter funkelnder Pracht zu brennen schien. Ich blieb vor einem Altar stehen, der an die fünf Millionen Dollar an Gold und Silber verschlungen haben mußte. Hätte man die Christusfigur an seiner Vorderseite eingeschmolzen, so hätte man damit sicherlich die halbe Münzanstalt der Vereinigten Staaten aufkaufen können. Während ich wie geblendet von dem Licht, das von dem Kreuz ausging, dastand, hörte ich plötzlich Pfarrer Kelly hinter mir.
»Sind Sie der Drehbuchautor, der mich wegen einem gewissen Problem angerufen hat?« rief er leise quer über die Bankreihen herüber.
Ich betrachtete noch immer den unglaublich strahlenden Altar. »Sie müssen eine Menge reiche Gläubige in Ihrer Gemeinde gehabt haben, Herr Pfarrer«, sagte ich.
Arbuthnot, dachte ich.
»Nein, das hier ist nur eine leere Kirche in einem leeren Zeitalter.« Pfarrer Kelly durchpflügte das Seitenschiff und streckte mir seine große Pranke entgegen. Er war groß, über einsneunzig, muskulös wie ein Athlet. »Wir sind in der glücklichen Situation, das eine oder andere Mitglied in unserer Gemeinde zu haben, dessen Gewissen nicht zur Ruhe kommen will. Sie drängen ihr Geld der Kirche förmlich auf.«
»Wenn Sie das sagen, Herr Pfarrer.«
»Wenn es nicht wahr wäre, würde Gott mich am Schlafittchen packen.« Er lachte. »Es ist schon hart, das Geld den leidenden Sündern einfach abzunehmen, aber immer noch besser, als wenn sie es auf der Rennbahn verjubeln. Hier bei mir haben sie eine größere Gewinnchance, denn ich treibe ihnen den Glauben höchstpersönlich ein. Wo die Psychiater nur emsig daherschwätzen, stoße ich einen höllischen Schrei aus, bei dem die Hälfte meiner Lämmchen vor Schreck die Hosen runterläßt und die andere Hälfte sie schleunigst wieder raufzieht. Aber kommen Sie doch. Mögen Sie Scotch? Ich überlege mir oft, ob Jesus, würde er heute leben, nicht Scotch servieren würde, und ob uns das etwas ausmachte. Das nennt man irische Logik. Kommen Sie.«
In seinem Büro füllte er zwei Schwenker ein.
»Ich kann es Ihnen von den Augen ablesen, daß Sie das Zeug verabscheuen«, stellte der Pfarrer fest. »Lassen Sie es stehen. Sind Sie wegen des Films gekommen, den dieser Verrückte dort drüben im Studio gerade abdreht? Ist Fritz Wong wirklich so durchgedreht, wie oft behauptet wird?«
»Und genauso erstklassig.«
»Es tut gut, wenn man einen Schreiber seinen Boß loben hört. Das habe ich höchst selten getan.«
»Sie!?«
Pfarrer Kelly lachte. »Als junger Mann habe ich neun Drehbücher geschrieben; keines davon wurde je verfilmt, und es hätte auch keines viel hergegeben. Bis zu meinem Fünfunddreißigsten habe ich alles mögliche getan, nur um zu verkaufen, mich zu verkaufen, hineinzukommen, weiterzukommen. Dann sagte ich mir, hol’s der Teufel, und ich wurde Geistlicher, wenn auch spät. Es war nicht einfach. Die Kirche klaubt solche wie mich nicht sehr gerne von der
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