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Friedhof für Verrückte

Friedhof für Verrückte

Titel: Friedhof für Verrückte Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Ray Bradbury
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riecht?«
    »H. G. Wells. Die Frauen waren verrückt nach ihm.«
    »Zu spät für Verrücktheiten. Meine Güte, deine Frau ist ein richtiger Glückspilz, daß sie jeden Abend mit einer gesunden Mahlzeit ins Bett gehen kann.«
    Sie legte sich mit einem Seufzer auf das Bett. Ich setzte mich auf den Fußboden und wartete, bis sie die Augen zumachte.
    »Wie kommt es«, murmelte sie, »daß du in den drei Jahren nicht älter geworden bist? Und ich? Tausend Jahre.« Sie lachte leise. Aus ihrem rechten Augenwinkel löste sich eine dicke Träne und rollte ins Kopfkissen.
    »Ach, Mist«, sagte sie klagend.
    »Sag’s mir«, forderte ich sie auf. »Sag es. Was?«
    »Ich war dort«, murmelte Constance. »Vor zwanzig Jahren. Im Studio. In der Nacht von Halloween.«
    Ich hielt den Atem an. Hinter mir glitt ein Schatten in den Türrahmen; Crumley stand dort und hörte stillschweigend zu.
    Constance schaute an mir vorbei in ein anderes Jahr und in eine andere Nacht.
    »Es war die verrückteste Party, die ich je mitgemacht habe. Alle waren maskiert, niemand wußte, wer was trank oder warum. In jedem Atelier gab es Schnaps in rauhen Mengen, und ebenso wurde in den Seitenstraßen gereihert, und hätte man Tara und Atlanta in dieser Nacht errichten wollen, sie wären in Flammen aufgegangen. Es mußten ungefähr zweihundert kostümierte Statisten dort gewesen sein und noch mal dreihundert ohne Kostüme, die den Alkohol durch den Tunnel beförderten, als wäre die Prohibition noch in vollem Schwange. Selbst wenn der Schnaps ganz legal zu kriegen ist, will man doch seinen Spaß haben, vermute ich. Geheime Durchgänge zwischen den Gräbern und den sauren Gurken, den gedumpten Filmen in den unterirdischen Gewölben. Damals ahnte niemand, daß der Tunnel schon bald zugemauert werden würde, eine Woche nach dem Unfall.«
    Der Unfall des Jahres, dachte ich. Arbuthnot tot und das Studio wie eine Herde Elefanten auf kürzeste Entfernung einfach abgeknallt.
    »Es war kein Unfall«, hauchte Constance.
    Hinter ihrem blassen Gesicht hielt sie eine private Düsternis versteckt.
    »Morde«, sagte sie. »Selbstmord.«
    Der Puls klopfte mir in der Hand. Sie hielt sie fest umschlossen.
    »Ja«, nickte sie, »Selbstmord und Mord. Wir haben nie herausgekriegt, wie, warum und was. Du hast die Zeitungsberichte gesehen. Zwei Wagen an der Ecke Gower und Santa Monica, spät, keiner hat etwas gesehen. Die Maskierten rannten alle in ihren Masken davon. Die Studiostraßen sahen aus wie die Kanäle Venedigs im Morgengrauen, mit den leeren Gondeln, die Anlegestellen mit Ohrringen und Unterwäsche übersät. Auch ich rannte. Später wollten Gerüchte wissen, Sloane habe Arbuthnot mit Sloanes Frau vor oder hinter der Mauer erwischt. Vielleicht hat auch Arbuthnot Sloane mit seiner eigenen Frau erwischt. Mein Gott, wenn man in die Frau eines anderen verliebt ist, und sie schläft auf einer verrückten Party mit ihrem eigenen Ehemann, das kann einen doch ganz schön auf die Palme bringen, oder nicht? Und so rast ein Auto dicht hinter dem anderen durch die nächtlichen Straßen. Arbuthnot mit hundertzwanzig hinter den Sloanes her. An der Gower rammt er sie von hinten und schleudert sie gegen einen Straßenmast. Die Nachricht schlägt auf der Party wie eine Bombe ein! Doc Phillips und Groc und Manny sausen sofort los. Sie tragen die Opfer in die nahe gelegene katholische Kirche. Arbuthnots Kirche. Wo er Geld hingetragen hatte, als Hintertürchen sozusagen, sein Hintertürchen aus der Hölle, wie er immer sagte. Aber es war zu spät. Sie starben und wurden über die Straße in die Leichenhalle gebracht. Die ist jetzt schon lange verschwunden. Am nächsten Tag im Studio sahen Doc und Groc aus, als wären sie bei ihrem eigenen Begräbnis als Sargträger engagiert worden. Bis zum Mittag beendete ich die letzte Szene des letzten Films, den ich je gedreht habe. Das Studio machte eine Woche lang zu. Jedes Atelier, jede Halle wurde mit Trauerband dekoriert, in allen Straßen wurden künstliche Nebelwolken versprüht, oder reime ich mir das jetzt zusammen? Die Schlagzeilen berichteten, die drei seien glücklich betrunken nach Hause unterwegs gewesen. Falsch. Es war Rache, unterwegs, um zu töten. Die armen balzenden Männchen und die arme liebeskranke Schnepfe wurden zwei Tage später hinter der Mauer begraben, dort wo einst der Schnaps in Strömen gelaufen war. Der Friedhofstunnel wurde zugemauert und – zum Teufel«, sie seufzte, »ich dachte, das alles wäre jetzt vorbei. Doch

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