Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Friedhof für Verrückte

Friedhof für Verrückte

Titel: Friedhof für Verrückte Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Ray Bradbury
Vom Netzwerk:
Jahre in Sicherheit sein.«
    Ich saß überwältigt in der Dunkelheit, während Filmrolle um Filmrolle durch die Maschine lief.
    »Meine Güte«, sagte ich ein um das andere Mal, »wie ist es Ihnen nur gelungen, diese Saftsäcke zu überlisten?«
    »Ganz einfach!« sagte Maggie mit der erfrischenden Ehrlichkeit, die ein General an den Tag legt, wenn er sich unter die Fußtruppen begibt. »Sie haben alle unter Druck gesetzt: Regisseure, Autoren, alle. Einen aber mußten sie schonen, damit er mit der Dreckschippe die Sauerei wegmachte, wenn sie erstklassiges Material besudelt und verwässert hatten. Die Träume der anderen haben sie zu Klump gehauen, mich aber haben sie geschont. Sie glaubten, mit ihrer Liebe zum Film könnten sie Berge versetzen. Und geliebt haben sie den Film, bei Gott. Mayer, die Warners, Goldfish/Goldwyn, sie alle konnten sich an Filmen nicht satt essen. Doch das allein genügt nicht. Ich habe mit ihnen um Szenen gestritten, habe argumentiert und Türen zugeknallt. Sie sind mir nachgerannt, weil sie wußten, daß meine Liebe größer war, als ihre je sein konnte. Ich habe ebenso viele Kämpfe gewonnen wie verloren, und schließlich beschloß ich, sie alle zu gewinnen. So rettete ich die verlorenen Szenen, eine nach der anderen. Nicht alles. Die meisten Filme sind das Zelluloid nicht wert. Doch fünf- oder sechsmal im Jahr gibt es einen besonders begabten Autor oder ein Lubitsch verleiht dem Ganzen einen besonderen Glanz, und das habe ich dann versteckt. Auf diese Weise habe ich in all den Jahren –«
    »Meisterwerke gerettet!«
    Maggie lachte. »Nicht gleich übertreiben. Nur ein paar ordentliche Filme, einige davon lustig, andere richtig schön zum Heulen. Und die sind alle hier, heute nacht, rings um Sie herum.«
    Ich ließ die Anwesenheit der Filme auf mich wirken, ihren ›Geist‹, und mußte schwer schlucken.
    »Stellen Sie die Moviola an«, sagte ich. »Ich will nie wieder nach Hause.«
    »Okay.« Maggie öffnete über ihrem Kopf weitere Schiebetüren. »Haben Sie Appetit? Hier, essen Sie!«
    Ich sah hin und las:
    The March of Time, 21. Juni 1933.
    The March of Time, 20. Juni 1933.
    The March of Time, 4. Juli 1930.
    »Nein«, sagte ich.
    Maggie erstarrte in der Bewegung.
    »1930 gab es keine Wochenschauen von March of Time «, sagte ich.
    »Hast du Töne! Der Bursche ist ein Experte!«
    »Das hier sind keine Wochenschauen«, fügte ich hinzu. »Das sind nur Decknamen. Wofür?«
    »Für meine eigenen Privatfilme, aufgenommen mit meiner Achtmillimeterkamera, auf fünfunddreißig Millimeter hoch vergrößert, und dann hinter den March of Time- Titeln versteckt.«
    Ich versuchte, nicht allzu unkontrolliert nach vorne zu schnellen. »Sie verfügen also über eine komplette Filmgeschichte dieses Studios?«
    »Suchen Sie sich ein Jahr aus: 1923, 1927, 1930! F. Scott Fitzgerald volltrunken in der Kantine. G. B. Shaw an dem Tag, als er in der Firma das Kommando führte. Lon Chaney im Make-up-Gebäude, an dem Tag, als er den Gebrüdern Westmore zeigte, wie man sein Gesicht auswechselt! Einen Monat später war er tot. Ein wunderbarer, gefühlvoller Mann. William Faulkner, ein betrunkener, aber stets höflicher Drehbuchautor, eine traurige Figur. Alte Filme. Alte Geschichten. Sie haben die Wahl!«
    Mein Blick wanderte bis zu einem bestimmten Punkt. Ich hörte, wie die Luft aus meinen Nasenlöchern pfiff.
    15. Oktober 1934. Zwei Wochen bevor Arbuthnot, der Boss des Studios, ums Leben kam.
    »Das hier.«
    Maggie zögerte, zog die Büchse heraus, legte den Film in die Moviola ein und stellte das Gerät an.
    Unserem Blick bot sich der Vordereingang von Maximus Films, an einem Oktobernachmittag, 1934. Die Türen waren geschlossen, doch drinnen, hinter dem Glas, sah man sich Schatten bewegen. Dann öffneten sich die Türen und zwei oder drei Leute kamen heraus. In der Mitte war ein hochgewachsener, kräftiger Mann, der mit zusammengekniffenen Augen lachte, den Kopf zurückgeworfen, die Schultern wackelten vor guter Laune. Seine Augen hatten sich zu Schlitzen verengt, so fröhlich war er. Er nahm einen tiefen Atemzug, einen der letzten in seinem Leben.
    »Kennen Sie ihn?« fragte Maggie.
    Ich starrte in das Helldunkel.
    »Arbuthnot.«
    Wie jemand in eine Kristallkugel sieht, um in ihr die Zukunft zu lesen, so sah ich durch das Glas, das vergangene Zeiten in ausgelaugten Farben zeigte.
    »Arbuthnot. Noch im gleichen Monat gestorben, in dem diese Aufnahmen gemacht wurden.«
    Maggie kurbelte zurück und ließ

Weitere Kostenlose Bücher