Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Friedo Behuetun 02 - Dunkles

Friedo Behuetun 02 - Dunkles

Titel: Friedo Behuetun 02 - Dunkles Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Tommie Goerz
Vom Netzwerk:
und konnte seine kleinen Launen und Spinnereien einfach so hemmungslos ausleben und auch ein bisschen experimentieren. Eine Scheibe Toast zum Beispiel dafür bestrafen, dass keine Butter da war. Herrlich! Man hatte ein Opfer, auf das man sich stürzen konnte, es gab eine auf der Stelle ausgesprochene Strafe, die auch sogleich vollzogen wurde, nämlich das Zerkrümeln für die Spatzen, die Strafe also machte auch noch Sinn, und keiner fragte nach Recht oder Gerechtigkeit. Natürlich war das ungerecht so einer Scheibe Brot gegenüber, aber war das denn nicht völlig egal? Kindererziehen musste ähnlich sein. Ein Riesenspaß. Sofort und aus der Situation heraus zu agieren und Grenzen aufzuzeigen. Und dann jammerten die Mütter immer, dass es so anstrengend sei und so viel zu tun gebe und Kinder so schwer zu erziehen seien. Den zwei da unten schien das Erziehen nicht sonderlich schwer zu fallen. Die ratschten und ratschten, und das Kind fuhr, sonderliche und nicht sonderlich intelligent klingende Geräusche von sich gebend, ständig im Kreis um sie herum. Die nahmen das Kind nicht einmal wahr. Merkten auch nicht, dass dieses Dreirad quietschte, und zwar bis hinauf in den dritten Stock. Mütter … Aber auch so etwas durfte man niemals laut sagen, nicht einmal andeuten. Dabei entsprach es den Tatsachen: Die schicken Mädels schicken ihre Männer fort malochen, Kohle ranschaffen, und selber …
    Schluss jetzt damit, stoppte sich Behütuns. Beziehungsweise stoppte Behütuns sein Hirn im Leerlauf, das offenbar unkontrolliert vor sich hin galoppierte. Nichts von alldem ist wahr, es ist falsch und nur Verleumdung, haltloses und leeres Geschwätz, vielleicht sogar schädliches, weiß doch jeder. Die Frauen haben es schwer, und was so ein Kind für eine Arbeit und Belastung ist, davon mache ich mir als Junggeselleja überhaupt keinen Begriff. Ganz exakt genau so ist es, auf den Punkt. Oder lacht da einer? Das will ich aber nicht gehört haben!
    Selbstgespräche sind der erste Hinweis auf beginnende Vereinsamung, hatte Behütuns einmal gelesen. Dabei war das Führen von Selbstgesprächen doch so schön. Man las aber auch so viel Blödsinn. Behütuns dankte dem Toast, dass er ihn auf andere Gedanken gebracht hatte, die Spatzen dankten es Behütuns, dass er keine Butter im Haus hatte, die Frauen unten hatten nichts gemerkt, und was in einem Kopf vorgeht, das kriegen andere nur mit, wenn man es aus dem Loch unter der Nase auch herauslässt.
    Ein Grünfink landete auf dem Fenstersims und verjagte alle Spatzen. Er ließ ihnen keine Chance.
    Behütuns’ Telefon klingelte. Aus einiger Entfernung, sehr gedämpft. Und er wusste auch sofort, von woher: Er hatte vergessen, es aus der Hose zu nehmen, und jetzt lag es mit der Hose von gestern und den Socken von vorgestern in dem geflochtenen großen Korb, in dem er seine Dreckwäsche aufbewahrte. Er nahm die Hose heraus, fischte sich das Telefon.
    »Ja? Kommissar Behütuns beim Frühstück?«
    Es war Frau Klaus. Herr Klaus heute mal, ganz sachlich, ohne ihre – seine – zelebrierte Attitüde. Sie – er – brauche noch einen Tag Zeit, es sei nicht ganz so leicht, an diese Szene ranzukommen. Alles so voller Misstrauen, voller Schweigen, nein: Verschwiegenheit.
    Behütuns war einverstanden. Vielleicht konnte Herr Klaus ja etwas Brauchbares herausfinden. Einen Hinweis vielleicht nur, wer weiß. Auf jeden Fall schien ihm das Spaß zu machen, das klang zwischen den Zeilen durch – was für ein Quatsch, er hatte doch gesprochen, also zwischen den Worten! –, auch einmal Polizist zu spielen. Nicht immer nur den Kollegen dabei zuzusehen und selber nur mit Schreibkram, Akten, Staub und so befasst zu sein. Und damit war Behütuns wieder ganz am Anfang angelangt, nämlich bei dem Fall. Und dem Geschwulstan Fragen, die er sich im Ärger um die Butter vorhin erst gestellt hatte: Warum gibt es keine Fälle, in denen einfach einmal etwas klar ist? In denen die Indizien eine klare Sprache sprechen, Zeugen vorhanden sind, die auch etwas bezeugen können … und so weiter und so fort.
    Die Espressomaschine röchelte, und süße, wohlbekannte Düfte streiften ahnungsvoll durch die Dreizimmerwohnung. Kaffee, ja, du bist’s!
    Behütuns ging hinunter, seine Zeitung holen. Die Frauen, das sah er durch das Milchglas der Eingangstür, standen immer noch ratschend auf dem Gehsteig, das Dreirad quietschte immer noch. Wie schön doch so ein Leben in der Stadt ist! Es war drei viertel acht.
    Um halb neun war

Weitere Kostenlose Bücher