Friedo Behuetun 02 - Dunkles
Kommissar Behütuns im Präsidium. Es war schon wieder heiß. Um zehn nach halb kam Dick, um drei viertel schließlich Peter Abend. Nur Jaczek fehlte noch. Er ließ sich wahrscheinlich zu Hause gerade noch ein Vollbad ein. Suchte seine innere Ordnung in dem Chaos um ihn herum. Er konnte Behütuns fast leidtun. Gerade Jaczek, dem Ordnung und Gewissenhaftigkeit über alles ging, musste jetzt mit Unordnung und Chaos fertig werden und sich arrangieren. Und es würde für ihn noch viel schlimmer kommen, befürchtete Behütuns, wäre er erst mit seiner Katharina zusammen in einer Wohnung, und dann auch noch mit seiner neugeborenen Tochter. Oder erst noch neu zu gebärenden? Nein, das sagte man so nicht. Da stimmte weder das »neu« noch war das Verb in dem Zusammenhang geläufig. Wie aber müsste eine solche Konstruktion wohl richtig lauten? Das war jetzt wirklich schwierig … Wahrscheinlich musste man es distanzierter formulieren, etwa so: und dann noch mit seiner kleinen Tochter, deren Geburt ja in den nächsten Wochen bevorstand. Behütuns’ Hirn war schon wieder voll auf Touren. Es leistete sich Kapriolen, und das war ein gutes Zeichen, denn das zeigte deutlich: Es wollte mehr. Wollte gefordert werden.
Warum stiehlt jemand einen überdimensionalen Pick-up und heizt damit nachts um drei mit 70 km/h über einen Feldweg?
Wenn man die Frage so formuliert, dachte sich Behütuns, kommt man doch beinahe zwingend auf einen Dummejungenstreich. Zwei, drei Kerle, vielleicht zwei, drei Bier, ein halbherziger Streifzug, ein bisschen Übermut, vielleicht eine Gelegenheit, ein Abenteuer und eine Spritztour – und dann ein jähes, schreckliches Erwachen. Ein dummer, blöder Zufall, weiter nichts. Schrecklich genug, ganz zweifellos, aber vom Ansatz her hochplausibel. Warum war er darauf nicht schon viel eher gekommen?
»Peter?!«
Peter Dick und Peter Abend fühlten sich sofort angesprochen, jeder für sich. Sie kannten diesen Ton.
»Ja?«
»Ja?«
Behütuns erzählte ihnen seinen Gedanken. Und schickte sie dann los. Noch einmal in die Schule zu den Mädchen, vielleicht zu Freunden und auch zu den Lehrern. Zur Mutter, so unangenehm es auch war, zu Nachbarn, in den Jugendclub, wenn es dort so etwas gäbe. Sie müssten sich halt umhören. Und zu dem Perser, Moshir Salawi, der vielleicht am ehesten die Jugend in der Gegend kannte und Hinweise geben konnte. Wer sich mit Autos auskenne, basteln könne, wer eventuell in Frage käme.
Die beiden zogen los.
Jaczek war immer noch nicht aufgetaucht.
Behütuns rief ihn an.
Er lag in der Badewanne, daheim, entspannte sich.
Das ist ein schlechter Film!, dachte Behütuns. Das kannst du niemals auch nur irgendeinem Menschen so erzählen, das klingt doch viel zu konstruiert und bemüht.
Doch Jaczek lag daheim im Bad, man konnte es am Plätschern hören. Behütuns sah ihn förmlich, wie er mit derEnte … der massige, behaarte Körper in der Badewanne mit dem Schaum …
Behütuns bat ihn dringlichst ins Büro. Er solle doch jetzt möglichst zügig hier zum Dienst erscheinen.
Es war inzwischen fünf nach viertel zehn.
Behütuns wählte Kollitz’ Nummer.
Es gab mir zu bedenken, was mir noch oft zu bedenken gegeben wird.
Harry Rowohlt, Pooh’s Corner
13. Kapitel
Jaczek kam nicht wie frisch aus der Badewanne, sondern wie frisch aus dem Bett. Aber erst kurz nach drei viertel zehn. Völlig zerzaust und verknautscht. Was der wohl die Nacht über getrieben hatte? Behütuns ersparte sich einen Kommentar.
»Wir fahren nach Erfurt«, sagte er bloß und ließ Jaczek sich erst gar nicht setzen. Dessen Blick lechzte nach Kaffee, aber Behütuns weigerte sich, diese Sprache zu verstehen. Jetzt nicht! Und trieb zur Eile an. Eine kleine Rache für das wieder einmal ziemlich späte Kommen musste sein. Natürlich nutzte das nichts, es würde nie etwas nutzen, das wusste er. Und trotzdem – er tat es ja auch für sich.
Behütuns hatte mit Kollitz telefoniert. Er hatte ihn im Auto erreicht, der »Leiter Expansion« sei gerade auf dem Weg von Leipzig nach Erfurt und müsse heute Nachmittag noch weiter, hatte er gesagt, gegen Mittag aber könne er, Behütuns, ihn im dortigen Möbelmarkt sicher antreffen.
15 Minuten später waren die beiden auf der A 73 Richtung Suhl unterwegs. »Suhl« – das stand auf dem Abzweig auf die Autobahn. Mitten in Nürnberg. Wer bestimmt eigentlich, was auf diese Autobahnschilder kommt?, fragte sich Behütuns. Suhl kennt doch kein Schwein. Erfurt aber ist ein Begriff, das
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