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Friedrich Nietzsche: Wanderer und freier Geist (German Edition)

Friedrich Nietzsche: Wanderer und freier Geist (German Edition)

Titel: Friedrich Nietzsche: Wanderer und freier Geist (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Sabine Appel
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und Theseus einbricht. In der Kritischen Ausgabe von «Ecce homo» findet sich die ganz zuletzt vom Autor eingefügte und autorisierte Passage: «Ich habe gegen Alles, was heute noblesse heisst, ein souveraines Gefühl von Distinktion, – ich würde dem jungen deutschen Kaiser nicht die Ehre zugestehn, mein Kutscher zu sein. Es giebt einen einzigen Fall, wo ich meines Gleichen anerkenne – ich bekenne es mit tiefster Dankbarkeit. Frau Cosima Wagner ist bei Weitem die vornehmste Natur; und, damit ich kein Wort zu wenig sage, sage ich, daß Richard Wagner der mir bei weitem verwandteste Mann war … Der Rest ist Schweigen …» In Begleitung eines Dentisten, der sich vor Ort für diese nicht ganz einfache Aufgabe gewinnen ließ, brachte Overbeck den kranken Nietzsche nach Basel. Er spielte König und Kaiser vor seinem «Volk», den Turinern, und ließ sich beim Abschied die Mütze seines Zimmerwirts geben, um eine Krone für seine Triumphfahrt zu haben. In Basel angekommen, brachte Overbeck ihn in die Irrenanstalt, die Basler Nervenklinik, bis seine Mutter eintraf, um ihn mit zwei Begleitern nach Jena zu bringen. Die Patientenakte der Basler Klinik verzeichnet: «Patient kommt in Begleitung der Herren Professoren Overbeck und Miescher in die Anstalt. _ – Läßt sich ohne Widerstand auf die Abteilung führen, auf dem Wege dahin bedauert er, daß wir daselbst so schlechtes Wetter haben, sagt: Ich will euch, ihr guten Leute, morgen das herrlichste Wetter machen … Pat. läßt sich willig untersuchen, spricht fortwährend während der Untersuchung. – Kein rechtes Krankheitsbewußtsein, fühlt sich ungemein wohl und gehoben. Gibt an, daß er seit 8 Tagen krank sei und öfters an heftigen Kopfschmerzen gelitten habe. Er habe auch einige Anfälle gehabt, während derselben habe sich Pat. ungemein wohl und gehoben gefühlt, er hätte am liebsten alle Leute auf der Straße umarmt u. geküßt, wäre am liebsten an den Mauern in die Höhe geklettert. Pat. ist schwer zu fixieren, beantwortet bloß teilweise u. unvollständig oder gar nicht die an ihn gerichteten Fragen, fortwährend in seinen verworrenen Reden fortfahrend. Sensoriell stark benommen. … Nachmittag spricht der Pat. fortwährend wirr durcheinander, zuweilen laut singend und johlend. Der Inhalt seines Gespräches ist ein buntes Durcheinander von früher Erlebtem, ein Gedanke jagt den anderen ohne jeden logischen Zusammenhang. – Gibt an, daß er sich zweimal spezifisch infiziert habe. – … Nach seinem Befinden befragt, gibt er zur Antwort: Daß er sich so unendlich wohl fühle, daß er dies höchstens in Musik ausdrücken könne. … Pat. zeigt einen ungeheuren Appetit, verlangt immer wieder zu essen. Nachmittags geht Pat. in den Garten spazieren, singt, johlt, schreit daselbst. Zieht sich manchmal Rock und Weste aus, legt sich auf die Erde. Der Besuch der Mutter erfreut Pat. sichtlich, beim Eintritte seiner Mutter ging er auf dieselbe zu, sie herzlich umarmend u. ausrufend: ‹Ach, meine liebe gute Mama, es freut mich sehr, dich zu sehen.› _ – Er unterhält sich längere Zeit über Familienangelegenheiten, ganz korrekt, bis er plötzlich rief: ‹Siehe in mir den Tyrannen von Turin.› Nach diesem Ausrufe fing er wieder an, verworren zu reden, so daß der Besuch beendigt werden mußte.»
    Auf der Fahrt von Basel nach Jena bekam Nietzsche einen Tobsuchtsanfall gegen seine Mutter, so dass diese vorübergehend in ein anderes Zugabteil flüchten musste – ein letztes Aufbegehren gegen die unvermeidliche Regression? Er war dann aber wieder ganz brav, Mutters «altes Geschöpf» . In Jena gab man ihn in die Obhut des berühmten Professor Binswanger, der die Psychiatrische Universitätsklinik leitete. Ein Jahr lang blieb er in Binswangers Klinik in Jena, bis ihn die Mutter nach Naumburg holte und ganz zu sich nahm. Hier ein Auszug aus dem Jenensischen Krankenjournal: «Er will seine Kompositionen aufgeführt haben, hat für Gedanken und Stellen aus seinen Werken wenig Verständnis oder Gedächtnis, bezeichnet die Ärzte stets richtig, sich selbst bald als Herzog von Cumberland, bald als Kaiser etc., behauptet: ‹Zuletzt bin ich Friedrich Wilhelm IV. gewesen.› ‹Meine Frau Cosima Wagner hat mich hierher gebracht.› ‹Man hat nachts gegen mich geflucht, man hat die schrecklichsten Maschinerien angewandt.› ‹Ich will einen Revolver, wenn der Verdacht wahr ist, daß die Großherzogin selbst diese Schweinereien und Attentate gegen mich begeht.› Muß

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