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Friesenkinder

Friesenkinder

Titel: Friesenkinder Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Sandra Duenschede
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Diese weitgehend unberührte Natur, diese herrliche Weite, in der sich jeder frei bewegen können sollte. Egal, welcher Hautfarbe er war. Diese Natur war ein Geschenk und sie gehörte jedem. Jedem, der pfleglich mit ihr umging. Er atmete noch einmal tief die würzige Luft ein. Dann drehte er um und machte sich auf den Heimweg.
     
    Immer noch schlief der Kleine viel, aber das Fieber war nicht wieder angestiegen. Sie stellte die Rotlichtlampe über dem Wickeltisch an, damit das Baby nicht fror, während sie ihn wusch, wickelte und ihm frische Sachen anzog. Die Lampe tauchte den Tisch in ein seltsames Licht und färbte auch die Haut des Kindes unnatürlich rot. Sie zuckte beim Anblick des Scheins zusammen.
    Diese Farbe rief schreckliche Erinnerungen in ihr hervor und lähmte sie. Wie damals, als sie wie in Trance diese Wärme zwischen ihren Beinen gespürt hatte.
    Der Kleine fing an zu schreien und riss sie aus ihren Gedanken. Sie musste sich zwingen, sie durfte nicht mehr zurückschauen. In die Vergangenheit, in der schreckliche Dinge geschehen waren. Das war vorbei. Sie musste nur noch vorwärts schauen. In ein wunderbares Leben, das vor ihr und ihrem Sohn lag.
    Sie nahm den Säugling auf den Arm und presste ihn fest an sich. »Ich gebe dich nie wieder her«, flüsterte sie und drückte ihm einen Kuss auf die Stirn.
     
    »Ich kann Oma sehen! Juhu!« Anne riss ihre Arme in die Höhe und winkte wie wild. Dirk verrenkte sich immer noch den Hals. Wo hatte seine Tochter Magda Thamsen bloß gesehen?
    Endlich konnte auch er seine Mutter ausmachen. Sie trug eine dunkelblaue Regenjacke und eine geblümte Reisetasche. Und sah unglaublich erholt aus.
    »Herzlich willkommen!«, begrüßte er sie und nahm ihr nach einer Umarmung die Tasche ab. Anne hüpfte neben den beiden auf und ab.
    »Wo ist Timo?«, wunderte sich seine Mutter und blickte sich suchend um.
    »Der ist erkältet und liegt im Bett«, erklärte Dirk die Abwesenheit seines Sohnes. »Na, kein Wunder bei diesem Sauwetter«, nickte Magda Thamsen und zog den Kragen ihrer Jacke zu. »Im Westerwald war so tolles Wetter und eigentlich hielt sich das auch bis kurz vor Hamburg. Dann wurde es zunehmend grauer und ab dem Kanal fing es an zu regnen.«
    Dirk nickte. Jetzt im Herbst war das Wetter hier in Norddeutschland wirklich trist. Sonne hatten sie in den letzten Tagen kaum gesehen. Stattdessen hielt sich diese graue Suppe am Himmel. Und dann dieser ständige Nieselregen. Kein Wunder, wenn so mancher hier an Depressionen litt. Dieses trübe Wetter konnte einem schon aufs Gemüt schlagen.
    Thamsen steuerte vor dem Bahnhofsgebäude auf den Dienstwagen zu und seine Mutter blickte ihn fragend an.
    »Mein Wagen ist hinüber.«
    »Oh nein!«
    Er nickte. Über kurz oder lang würde er sich mit dem Kauf eines neuen Autos beschäftigen müssen. Er konnte schließlich nicht ewig den Dienstwagen nehmen. Er musste sich nur noch mal ausgiebig mit seinen Finanzen auseinandersetzen, um zu wissen, wie viel Geld er investieren konnte. Für einen Neuwagen würden seine Ersparnisse zwar nicht reichen, aber ein allzu altes Modell wollte er auch nicht kaufen. Ab einem gewissen Alter bekamen die meisten Pkws so ihre Wehwehchen. Kannte er ja selbst von seinem alten Kombi. Eigentlich gab es immer etwas, was nicht in Ordnung war. Und auf lange Sicht waren diese ewigen Reparaturen halt teurer, als wenn man gleich richtig Geld ausgab.
    »Also, wenn du Geld brauchst«, bot seine Mutter an, doch er winkte ab. Zwar war seine Mutter bestens versorgt und musste sich über Geld nun wirklich keine Gedanken machen. Doch sie hatte ihr Leben lang auf so viel verzichten müssen, da sollte sie es lieber für sich ausgeben. Er kam klar. Wenngleich das Ersparte auch in eine Reise hätte fließen können, aber beides ging nicht. Jedenfalls nicht mit dem Geld, das sein Vater jahrelang gehortet hatte.
    Im Grunde genommen ging es genau darum. Obwohl sein Vater nun schon einige Zeit tot war, wollte er immer noch beweisen, dass er bestens allein klarkam. Das war schon immer so gewesen, und das Gefühl, seinem Vater etwas beweisen zu müssen, war mit dessen Tod seltsamerweise nicht gestorben. Wahrscheinlich war dieses Verhalten schon zu tief in ihm verwurzelt und ließ sich eben in seinem Alter nicht mehr so einfach ablegen.
    Er hielt vor dem Haus der Mutter und half ihr, die Reisetasche ins Haus zu tragen. Anne trabte hinter den beiden her.
    »Soll ich uns einen Kaffee machen?« Seine Mutter war unermüdlich. Er an

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