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Friesenkinder

Friesenkinder

Titel: Friesenkinder Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Sandra Duenschede
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Thamsen anzurufen.
    »Das kann doch kein Zufall sein, dass sich diese Vorfälle häufen«, hatte sie gesagt, »da wird einem ja angst und bange!«
    Wenig später klingelte es an der Tür, doch es war nicht, wie erwartet, Dirk Thamsen, sondern Gesine Liebig und ihr Mann, deren Besuch die beiden in der Aufregung beinahe vergessen hatten. Der Kuchen stand noch unglasiert in der Küche und Kaffee hatte Marlene auch noch keinen gekocht.
    Leicht überrumpelt, präsentierten sie Niklas, den Gesine Liebig sogleich völlig in Beschlag nahm. Eher nebenbei überreichte sie das Geschenk zur Geburt – einen überdimensionalen Teddybären und einen Umschlag mit einem Sparbuch, auf das am Tag der Geburt 10.000 Euro eingezahlt worden waren.
    »Das ist viel zu viel!«, protestierte Marlene und wollte das Heftchen an ihre Mutter zurückreichen. Die wehrte jedoch ab. »Hast du eine Ahnung, was ein Kind heutzutage kostet?«
    Allerdings, das wusste Marlene. Bereits die Grundausstattung für den Kleinen hatte ein Vermögen gekostet. Wiege, Wickelkommode, Kinderwagen, Autositz und dann natürlich die Klamotten, Windeln … Das ging ganz schön ins Geld, aber trotzdem empfand sie den Betrag als viel zu hoch. Sie würde später noch einmal mit ihrer Mutter darüber sprechen. Jetzt hatte das sowieso keinen Sinn, da Gesine Liebig voll und ganz in der Rolle der Oma aufging und den frischgebackenen Enkel summend in den Armen wiegte.
    Marlene ging in die Küche, um den Kuchen fertigzumachen, und Tom half ihr, indem er den Kaffee kochte.
    Er hatte gerade das Kaffeepulver in den Filter gefüllt, da klingelte es erneut. Diesmal war es, wie erwartet, Dirk Thamsen.
    »Oh, ihr habt Besuch, das hättet ihr doch sagen können!« Thamsen machte Anstalten, wieder zu gehen, doch Tom zog ihn am Arm durch den Flur in die Küche.
    Marlene verteilte gerade die flüssige Schokolade über den Kuchen. Als sie die beiden sah, ließ sie sofort den Topf sinken und begrüßte den Freund.
    »Hier«, sie reichte ihm das Flugblatt, »das gab es heute anscheinend als Beilage im Nordfriesland Tageblatt.«
    Thamsen überflog rasch die Zeilen auf dem Zettel. »Kann mir fast denken, woher das kommt«, er dachte an das Telefonat seines Mitarbeiters, das er am gestrigen Abend in Bruchstücken mitbekommen hatte.
    »Mich wundert nur«, mischte Tom sich ein, »dass sich sonst noch keiner gemeldet hat.«
    »Vielleicht hat man es als Scherz abgetan«, mutmaßte Thamsen, doch eigentlich war klar, dieses Pamphlet konnte nach den letzten Ereignissen eigentlich nicht missverstanden werden. Also war nur durch Angst und vielleicht eine gewisse Gleichgültigkeit zu erklären, warum bisher noch niemand laut aufgeschrien hatte.
    »Darf ich das mitnehmen?«
    Die Freunde nickten. Thamsen wollte nicht länger stören. Er hatte ohnehin etwas in der Gegend zu tun. Und jetzt erst recht.
    Gunter Sönksen wohnte nicht weit entfernt, nur die Dorfstraße entlang. Als Thamsen durch das Dorf fuhr, musste er erneut feststellen, wie trügerisch diese Idylle doch war. Nichts deutete auf die grausamen Verbrechen hin, die sich in den letzten Jahren hier ereignet hatten.
     
    Dieses etwa 3500-Seelen-Dorf, das auch heute noch zur Bökingharde gehörte und als Friesenhochburg galt, wirkte so friedlich. Man konnte sich schwer vorstellen, dass in diesem Dorf der braune Terror schlummerte. Gewiss, den meisten Bewohnern war hierüber nichts bekannt – genauso wenig, wie sie einst vermutet hatten, es könne auch in ihrem Dorf Mord und Totschlag geben. Aber dieser so beschaulich wirkende Landstrich war nicht frei von Verbrechen; ansonsten wäre er schon arbeitslos.
    Kurz überlegte er, ob er sich an den Bürgermeister wenden und ihn bitten sollte, eine Bürgerversammlung einzuberufen. Die Leute müssten aufgeklärt werden, eventuell ließ sich so etwas wie eine Protestveranstaltung gegen die Neonazis organisieren. Aber vielleicht sollte man das gemeindeübergreifend veranstalten. Schließlich betraf es auch andere Dörfer und Städte in Nordfriesland. Er würde zunächst mit Haie darüber sprechen und nach dessen Meinung dazu fragen. Der kannte sich hier aus und konnte sicherlich besser beurteilen, ob die Leute sich in einer Gruppe stärker fühlten. So konnten sie sich wehren und Farbe bekennen gegen die rechte Szene.
    Er hielt den Wagen vor dem Haus neben der alten Post. Hier wohnte Gunter Sönksen. Er stieg aus und ging zur Haustür. Im oberen Stockwerk meinte er, einen Schatten am Fenster wahrzunehmen, doch als

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