Friesenrache
dass Haie gute Kontakte zur Polizei pflegte und deshalb von der Aussage über den rasenden Pkw erfahren hatte. Als der Stammtischbruder, der sich mit seinen Beobachtungen bei der Polizei wichtig hervorgetan hatte, nun allerdings herumdruckste, verkündete Haie dem anderen Gesprächsteilnehmer stolz, es sei nur Ole Jessen und Manni Thiele zu verdanken, dass die Polizei überhaupt einen Anhaltspunkt hätte.
»Dank den beiden weiß man nämlich, dass der Mörder nicht aus dem Dorf kommt. War ja ein auswärtiges Kennzeichen. Stimmt's Ole?«
»Na ja«, lenkte dieser vorsichtig ein. »War ja schon reichlich dunkel. Also so genau hab ich das auch nicht gesehen. Ehrlich gesagt, hab ich gar nicht auf das Kennzeichen geachtet. Hab mich nur gewundert, wer zu solch später Zeit wohl so durchs Dorf heizt.«
Haie nickte. So ähnlich hatte er sich das beinahe gedacht, nachdem sich partout kein weißer Wagen mit auswärtigem Kennzeichen, der an jenem Abend in einen Verkehrsunfall verwickelt gewesen war, bei einer Autovermietung ausfindig hatte machen lassen.
Demzufolge war es also gut möglich, dass der Fahrer und mögliche Mörder Kalli Carstensens aus dem Dorf stammte. Und auch Barne Christiansen gesellte sich damit wieder zu dem Kreis der Verdächtigen.
»Habt ihr denn sehen können, wer am Steuer saß?«
Ole schüttelte bekümmert den Kopf.
»Und waren da mehrere Personen im Auto oder nur eine?« Haie wollte es nun ganz genau wissen, und auch Jens Matthiesen fragte interessiert:
»Was für'n Wagen war das denn?«
»Mensch!«, Ole Jessen riss ob der vielen Fragen, auf die er keine Antwort geben konnte, der Geduldsfaden. »Wir kamen vom Stammtisch und hatten ordentlich einen gehoben. Was weiß ich denn da, was für'n Wagen das gewesen ist. Wahrscheinlich hatte der gar nichts mit dem Mord zu tun.«
»Gut möglich«, bemerkte Haie und stieg wieder auf sein Fahrrad. »Auf jeden Fall solltet ihr eure Aussage bei der Polizei richtigstellen. Am Ende verfolgen die eine völlig falsche Spur. Eventuell hat doch Friedhelm was mit Kallis Tod zu tun. So wie der sich gestern aufgeführt hat. Aber das kann Ole dir erzählen. Ich muss weiter.« Er hob zum Abschied kurz die Hand, ehe er weiter Richtung Risumer Weg radelte.
Dirk Thamsen saß in seinem Büro und arbeitete sich durch den Stapel der Anwaltsschreiben, welche Friedhelm Carstensen ihm freundlicherweise für seine Ermittlungen überlassen hatte. Anne saß an einem kleinen runden Tisch neben der Tür und malte mit Wachsbuntstiften ein farbenfrohes Bild. Er hatte sie nach seinem Besuch bei Dr. Münsterthaler von der Schule abgeholt.
»Was ist das denn hier?«
Einer der Flensburger Kollegen betrat sein Büro und blickte verwundert auf das malende Kind. »Ist das hier etwa eine Kindertagesstätte?«
»Der Hort hat heute zu, und Tante Elsbeth ist krank«, gab Anne dem schlanken jungen Mann Auskunft. Der schaute fragend auf Thamsen.
»Tante Elsbeth ist die Tagesmutter«, fügte er erklärend hinzu.
Der Beamte nickte und erkundigte sich dann, ob die Befragung des Anwalts neue Erkenntnisse gebracht hätte.
»Na ja, wie man's nimmt.« Thamsen legte den Brief, den er zuletzt gelesen hatte, zurück auf den Stapel.
»Dr. Münsterthaler hat früher wohl auch in RisumLindholm gewohnt.«
»Das ist nichts Neues«, kommentierte der andere ungeduldig seine Bemerkung. Dirk Thamsen spürte, wie ihm der Ärger, welchen die herablassende Art seines Gegenübers in ihm aufsteigen ließ, langsam die Luft abschnürte. Was bildete sich dieser junge Schnösel überhaupt ein. Selbst keinerlei Ergebnisse liefern und seine Arbeit arrogant abwerten. Für wen hielt der sich?
Er beschloss, die Tatsache, dass der Anwalt nach eigener Aussage eher mit der Witwe als mit Kalli Carstensen befreundet gewesen war, für sich zu behalten. Und auch sein schlechtes Bauchgefühl, welches den Wahrheitsgehalt von Dr. Münsterthalers Auskünften über seine freundschaftlichen Dienste gegenüber der Familie des Opfers betraf, verschwieg er wohlweislich. Der Kollege interessierte sich seiner Ansicht nach sowieso nicht übermäßig für das, was Thamsen herausgefunden hatte. Und wahrscheinlich schon gar nicht für irgendwelche vagen Vermutungen, die ihm aufgrund seines unguten Empfindens in der Gegenwart des Advokaten durch den Kopf geschossen waren. Sein Spürsinn war hier wohl nicht gefragt. Der junge Kollege glaubte vermutlich, Erfahrung und
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