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Friesenrache

Friesenrache

Titel: Friesenrache Kostenlos Bücher Online Lesen
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die unergründliche Tiefe des Meeres zu sich hinab, forderte einen auf, sich ihr hinzugeben. Dennoch konnte er nicht glauben, dass, wie so oft berichtet wurde, allein der Lockruf des Meeres Schuld am Tod etlicher Menschen war, die sich in die Fluten gestürzt hatten. Diese Leute mussten seiner Meinung nach schon Selbstmordgedanken gehegt haben. Ansonsten sprang man wohl kaum ins Wasser. Da schaltete sich seiner Ansicht nach vorher doch noch der Verstand ein, der einen letztendlich vor dem Sprung bewahrte.
      Der Verstand Sophie Carstensens hatte jedoch gegen die Hoffnungslosigkeit, welche sie empfunden haben musste, den Kürzeren gezogen. Völlig ausweglos musste sich die Situation für die Witwe dargestellt haben. Einsam und hilflos hatte sie nur den Freitod als Möglichkeit gesehen, diesem für sie scheinbar unerträglich gewordenen Leben zu entkommen. Dass es sich um einen Selbstmord handelte, davon ging er zunächst einmal aus. Obwohl er auch einen Mord nicht für ausgeschlossen hielt. Immerhin war der Ehemann der Toten erst wenige Tage zuvor Opfer eines Gewaltverbrechens geworden. Vielleicht rechnete der Täter gerade mit der gesamten Familie ab. Als Nächstes war womöglich der Sohn an der Reihe.
      Nun mal man nicht gleich den Teufel an die Wand, wies er sich selbst zurecht. Erst einmal sprach nach den Angaben des Kollegen, der ihn über den Leichenfund informiert hatte, alles für einen Selbstmord. Weiteres musste die Obduktion ergeben, die er gleich heute Morgen beim zuständigen Staatsanwalt beantragt hatte.
      Die Fähre erreichte pünktlich nach 45-minütiger Fahrtzeit das Festland, und Thamsen machte sich mit dem Team der Spurensicherung sofort auf den Weg in die Polizeidienststelle. Der Bericht des Kollegen über den Leichenfund lag bereits auf seinem Schreibtisch.
      »Die Leiche wurde durch das ortsansässige Bestattungsunternehmen ins Krankenhaus abtransportiert«, las er vor und entschied sofort, dass sein erster Gang in die nur wenige Hundert Meter entfernte Klinik sein würde.
      »Ihr fahrt raus in den Herrenkoog. Den Sohn nehmt ihr am besten gleich mit. Der ist, Moment«, er blätterte zwischen den Seiten des Pamphlets, »im Gasthof an der B5 einquartiert. Er soll euch zeigen, wo genau und wie er seine Mutter gefunden hat. Ich hoffe nur, es sind nicht alle Spuren zertrampelt worden.« Ihm war die Arbeitsweise der Kollegen bekannt. Oftmals stürzten sie etwas zu unbedacht an den Tatort, ohne ihn vorher ausreichend gesichert zu haben. Dabei gingen so manches Mal wichtige Hinweise verloren.
      »Anschließend kümmert euch bitte um die Stiefel und …«, er zog den Plastikbeutel mit Barne Christiansens Haaren aus seiner Jackentasche, »das hier. Ich möchte die Ergebnisse so schnell wie möglich auf meinem Schreibtisch haben.«
      Nachdem der Trupp der Spurensicherung sein Büro verlassen hatte, rief er zunächst einmal bei seiner Mutter an.
      »Kann ich Anne etwas später abholen?« Er hörte, wie sie auf seine Frage hin tief Luft holte. Eigentlich waren sie und sein Vater heute zu einem Geburtstagsempfang eingeladen. Da konnten sie die Enkelin unmöglich mitnehmen.
      »Kannst du nicht Iris fragen, ob sie die Kleine abholt?«
      Gegen den Gedanken, seine Exfrau anzurufen und um ihre Hilfe zu bitten, sträubte sich alles in ihm. Für ihn war es wie eine Art Eingeständnis, das zeigte, dass er mit der Situation nicht allein zurechtkam. Doch so schnell würde er sich nicht geschlagen geben.
      »Wann müsst ihr los? Ich hole Anne dann pünktlich vorher ab«, versicherte er zähneknirschend und legte wieder auf.
      Draußen hatte sich inzwischen die Sonne durch die grauen Wolken gekämpft und versucht, dem Herbst noch einmal Paroli zu bieten. Thamsen lief die wenigen Schritte zum Krankenhaus und genoss die warmen Strahlen, ehe er die schattige Eingangshalle der Klinik betrat.
      Der Weg in die Leichenhalle war ihm bekannt. Schon öfter in seiner Laufbahn hatte er die kahle Treppe hinabsteigen müssen, welche in die weiß gekachelten Kellerräume führte. Hinter einer der Türen befand sich neben dem Raum, in dem die Leichen aufbewahrt wurden, auch ein kleines Labor.
      Dr. Hermes, ein junger Assistenzarzt, saß tief über ein Mikroskop gebeugt, als Thamsen den Bereich be trat, zu dem Unbefugten der Zutritt verboten war.
      »Herr Kommissar«, begrüßte der Mediziner ihn, als er seinen Blick hob, »was führt Sie denn in unsere schauerlichen Hallen?«
      Ein Grinsen

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