Friesenschnee
allerdings immer deutlicher vor dem Flackern hinter der Fensterscheibe hervorhob. Er war in Angelikas riesigem Bett aufgewacht, und ihr Haus schien zwar noch nicht zu brennen, aber irgendjemand musste direkt vor dem Anwesen ein loderndes Feuer entfacht haben, was Angelika offensichtlich ernstlich Sorge bereitete.
»Diese marodierenden Halbstarken auf der Insel sind eine wahre Plage. Die müssen doch wissen, dass sie in der Nähe von Reetdächern nicht zündeln dürfen«, fluchte sie leise vor sich hin. Dann erst bemerkte sie, dass er inzwischen aufgewacht war. Natürlich erwartete er keine Lobeshymnen von ihr, doch er freute sich, als sie sich dem Bett näherte und ihm zärtlich mit der Hand über den Kopf fuhr. »Ist alles in Ordnung mit dir, Helge?«
Es war nicht nur alles in Ordnung, es war sogar ausgesprochen schön mit ihr gewesen. Er war nur ein wenig schlapp, denn sie hatte ihm alles gegeben, was er in den ganzen langen Jahren vermisst und inzwischen bei Jenny auf eine andere Weise wiedergefunden hatte. Sofort begann ihn das schlechte Gewissen zu plagen.
Angelika schien das zu bemerken, denn sie begann, ihre zärtlichen Aktivitäten zu verstärken, wenngleich eine gewisse Anspannung bei ihr nicht zu übersehen war. Sie wollte ihn mit allen Mitteln bei der Stange halten. So versuchte er wie früher, ihre Gedanken in andere Bahnen zu lenken. Entspannt dabei im Bett zurücklehnen wie erhofft konnte Stuhr allerdings nicht, denn unvermittelt entfernte sich Angelika und stampfte vor dem Fenster wütend mit den Füßen auf, während sie auf das Feuer vor dem Haus wies.
»Helge, steh bitte einmal auf und schau dir die Saufbolde dort unten neben dem Hünengrab an. Erst verbrennen sie alles, was in Flammen aufgeht und ordentlich räuchert, und dann hauen sie sich anschließend noch die Birne voll. Das ist unmöglich!«
Im Bett war es ausgesprochen angenehm, und so versuchte Stuhr, sie mit Engelszungen zu besänftigen. »He, Angelika. Komm wieder runter. Was soll dir auf der Insel schon großartig passieren? Du lebst im Luxus mit einem traumhaften Blick auf die Insel Amrum und nicht im Elend der New Yorker Bronx. Wieso hast du Angst vor Halbstarken? Die wollen doch nur ihr Mütchen kühlen.«
Angelika war allerdings nicht mehr zu beruhigen. »Diese Idioten wissen doch jetzt schon nicht mehr, was sie tun. Ich habe immer Angst davor gehabt, dass ein Funken auf das Haus überspringen könnte. Wenn ich in dem Moment nicht da wäre und Hilfe rufen könnte, dann würde Laura in den Flammen umkommen. Du musst etwas unternehmen, das ist schließlich auch dein Fleisch und Blut.«
Das saß. Ein ablehnendes Kopfschütteln vermied Stuhr, denn er ahnte schon, was noch folgen würde, weil sie nicht lockerlassen konnte.
»Laura ist ein Kind der Liebe. Der Liebe zwischen uns beiden. Helge, ich habe dich immer mehr geliebt als du mich. Ich habe Laura bewusst von dir empfangen. Warum kannst du sie nicht als deine Tochter annehmen? Willst du sie nicht einmal sehen?«
Glücklicherweise kannte er Angelika aus den gemeinsamen Zeiten nur zu gut, um nicht auf solche Angebote einzugehen, die ihn in die Zwickmühle trieben. Sicherlich war es verlockend, Angelikas Tochter zu sehen, aber sinnvoller wäre es, seine Vaterschaft zunächst überprüfen zu lassen.
Stuhr quälte sich mühselig aus dem weichen Bett und schlich zum Fenster, um die Halbstarken näher in Augenschein zu nehmen. Das entfachte Feuer unweit der Straße war nicht besonders groß, und es brannte kontrolliert ab im Gegensatz zu den Bewegungen der jugendlichen Störer, die torkelnd mit Flaschen in der Hand um die lodernden Flammen tanzten und mit tiefer Stimme Lieder sangen, die natürlich hinter dem Fenster nicht zu verstehen waren. Bis auf den Lärm gab es keinen Grund zur Sorge. »Westwind, Angelika. Keine Gefahr für das Dach.«
Wieder stampfte Angelika mit dem Fuß auf den Boden. »Ich will aber meine Ruhe haben! Tu etwas.«
Stuhr wurde das Gefühl nicht los, dass Angelika schlichtweg der Mann abhandengekommen war, für den sie nun mit allen Tricks Ersatz suchte. »Ruf doch den Dorfsheriff an, Angelika. Der wird dem Spuk dann ein Ende bereiten.«
Angelika schüttelte energisch den Kopf. »Selbst Föhr ist beim Punkt ›Sparpolitik im 21. Jahrhundert‹ angekommen. Es gibt nur noch eine Zentralstation der Polizei in Wyk. Bis die Polizisten hier angekommen sind, wird der Spuk längst beendet sein. Im letzten Jahr habe ich zwei- oder dreimal das Spektakel
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