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Friesenschnee

Friesenschnee

Titel: Friesenschnee Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Gmeiner-Verlag
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Seefahrt hatten in dieser Kneipe ihre letzte Heimstatt gefunden: Fischernetze, Taue, kleine Bojen, Steuerräder, präpariertes Getier und sogar bunt lackierte hölzerne Galionsfiguren, die natürlich unübersehbar weiblicher Natur waren.
    Er wurde angenehm überrascht, als ein vom Wirt exakt platzierter Bierdeckel seine Aufmerksamkeit auf das Absenken eines frischen Weizenbiers lenkte. Stuhr ergriff freudig das Glas und prostete sich genüsslich zu: »Auf deinen freien Abend, Stuhr.«
    Dann ließ er das ganze von Angelika ausgelöste Elend mit einem langen Zug die Kehle hinunterfließen, wobei er sich bereits mächtig auf den Gang zum Pissoir freute, um die fachgerechte Entsorgung der Utersumer Probleme an Ort und Stelle zu vollenden. Er bestellte ein zweites Bier, bevor er sich seinem Handy widmete. Er schaute sich vorsichtig um, ob er mit einem Telefonat jemanden stören könnte, aber alle Anwesenden waren in Gespräche vertieft, soweit sie im Gegensatz zu dem Seebär noch halbwegs klar denken konnten.
    Olli nahm jedoch das Gespräch nicht an.
    Stuhr betrachtete versonnen den verwaisten runden Bierdeckel vor sich. Es war schon bemerkenswert, dass diese kleine Kneipe offensichtlich über eigene Bierdeckel verfügte. ›Glaube– Liebe–Hoffnung‹ war auf dem oberen Teil der Rundung zu lesen. Er drehte den Bierfilz, und jetzt war ›Fides– Caritas– Spes‹ zu lesen, offensichtlich die lateinische Entsprechung des Namens der Kneipe.
    Hatten das nicht die Burschen gebrummelt, auf die er beim Hereinkommen gestoßen war? Wenngleich Stuhr immerhin das kleine Latinum für sich verbuchen konnte, hatte er das vorhin nicht aus dem Gesang heraushören können.
    Er inspizierte den Bierdeckel nun genauer, der im Gesamtaufbau verdächtig dem ehemaligen DDR-Signet ›Einheit KPD-SED‹ ähnelte. Lediglich der Handschlag in der Mitte wurde durch die gerundeten Buchstaben FCS ersetzt.
    Stuhr steckte den Bierdeckel zur Erinnerung in die Tasche und begab sich zur Toilette. Als er zurückkehrte, bemerkte er sofort den Bierdeckel suchenden Arm des irritierten Wirts, den er jedoch erlösen konnte, indem er ihm das schaumgekrönte Weizen kurzerhand aus der Hand nahm.
     
    Obwohl in diesem besinnlichen Moment der neben ihm von seinem Hocker wieder hochsteigende Seebär erneut Unruhe verbreitete, betrachtete Stuhr weiterhin liebevoll die Bierblume, bevor er das Glas an seine Lippen führte. Dann floss das Getränk genussvoll durch seine Kehle, und er freute sich bereits auf den nächsten Gang zum Pissoir, um endgültig mit Angelika abzuschließen.
    Wieder wurde er gestört von einem Stühlerücken am Nebentisch. Vorsichtig drehte sich Stuhr nach rechts, um nach dem unerwarteten Weggang ihres Begleiters die Frau näher in Augenschein zu nehmen, die die ganze Zeit von dem Kerl verdeckt gewesen war.
     
    Stuhr traf der Blitz, denn das Gesicht war ihm mehr als vertraut. Es war Jenny, die ihn entgeistert musterte. »Helge Stuhr. Was machst du denn hier auf Föhr? Du hast mir doch versichert, dass du an der Ostsee bist.«
    Hatte er, aber das war heute Morgen. Sie hatte natürlich jeden Grund, über seine Lüge entsetzt zu sein. Aber sollte sie nicht selbst ein schlechtes Gewissen haben, mit einem anderen Mann vertraut in einer Inselkneipe auf Föhr zu sitzen? Angriff war die beste Verteidigung, und so begann er, verharmlosend dagegenzuhalten. »Bier trinken, mein Schatz. Die Meere der Welt sind nun einmal alle miteinander verbunden. Warum sollte ein Weltmann wie ich nicht von der Ostsee in diese Seefahrerkneipe verspült worden sein? Seefahrt ist Not. Steht auch draußen auf dem Werbeschild.«
    Jenny amüsierte seine Antwort. Zumindest wich ihr erschrockener Blick einer freundlicheren taxierenden Beobachtung. Stuhr befand das genau für den richtigen Zeitpunkt, ihr noch eine kleine Lektion in Latein mit auf den Weg zum Klo zu erteilen. »Im Übrigen sitze ich hier im Gegensatz zu dir lediglich in Begleitung eines Weizenbieres, mein Schatz. Semper Fidelis– immer treu.«
    Der Blick von Jenny hellte sich weiter auf, doch mit den Fingern wies sie auf die Toilettentür, zu der sie nun mit kleinen Tippelschritten entschwand. Nachdem sich die Tür geschlossen hatte, prostete er ihr kurz zu und bestellte sich vorsichtshalber noch ein Bier, denn er ahnte, dass die Veranstaltung hier schneller beendet sein würde, als ihm lieb war, falls er falschliegen würde.
     
    Wenig später kehrte Jenny sichtlich erleichtert zurück und versuchte, ihn zu

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