Friesenschnee
größte Ärger vermutlich ausgeräumt. Er hielt den Chip an die Tür, die geschmeidig aufglitt, und bat sie mit einer eleganten Handbewegung, ihm zu folgen.
Doch bereits in der Tür schwoll ihm unerwartet eine Wolke edlen Parfums entgegen. Als er noch überlegte, wem dieser Geruch zuzuordnen sein konnte, ließ ihn ein schriller Schrei in der Bewegung erstarren, denn das war nicht Jennys Stimme.
Es musste Angelika sein. Jenny schaltete das Deckenlicht an, und im nächsten Moment verkroch sich Angelika unter die Decke des gewaltigen Bettes, das den Raum dominierte. Jennys stechender Blick von der Seite blieb ihm nicht verborgen.
»Helge, was soll dieses Flittchen in unserem Bett. Bin ich dir nicht genug? Mein Gott, da hast du dich aber gründlich in der Preisklasse vergriffen.«
Natürlich war das für Stuhr der unerwartete Supergau, aber immerhin schien Angelika bemerkt zu haben, dass sie dieses Mal überzogen hatte. Nackt sprang sie aus dem Bett und schnappte sich ihre Sachen, um sich zunächst in der Toilette zu verbarrikadieren. Wenig später rauschte sie in einem hochgeschlossenen Kleid mit dem üblichen Getöse durch das Zimmer, bevor sie sich mit einem angedeuteten Knicks standesgemäß verabschiedete. »Ich habe mir erlaubt, im Vorweg den Tribut für das Liebesnest zu entrichten. Hoffentlich poliert der Herr zwischen den Gängen gründlich sein Besteck. Die Damen scheinen ja je nach Haarfärbung zu wechseln.«
Selbstbewusst drehte sich Angelika jetzt um und trippelte erhobenen Hauptes aus der Suite. In der Tür drehte sie sich noch einmal um. »Helge Stuhr, ich kann dir nur raten, einmal tief in dein Herz hineinzuschauen. Denke daran, Blut ist dicker als Wasser.« Dann pfefferte sie die Tür ins Schloss.
Der Blick von Jenny war mehr als ungemütlich. »Mein lieber Freund. Keine Ausreden mehr. Wenn sich immer häufiger Ereignisse verketten, die anders ausgelegt werden können, muss man dann nicht Angst vor dir bekommen? Wer war dieses Flittchen?«
Stuhr war bewusst, dass er jetzt mehr als einen Schuss Wahrheit in die Beziehung einfließen lassen musste. »Das war kein Flittchen, Jenny. Mit Angelika war ich vor Jahren fest verbandelt, ungefähr so wie du mit Halbedel. Es war ebenfalls keine Spaßgeschichte, aber das ist alles lange her. Sie wollte mich damals nicht, und jetzt will ich nichts mehr von ihr. Sie scheint jedoch leider Gottes in den alten Zeiten verhaftet zu sein. Glaube mir, ich liebe nur dich.«
In diesem Moment wurde die Straße vom Aufbrüllen eines Motors belebt. Stuhr schielte aus dem Fenster, und wenig später schoss Angelika mit ihrem Landrover aus der Parklücke heraus.
Jenny beäugte ihn skeptisch. »Dann steht es für dich sozusagen eins zu eins, richtig?«
Erleichtert nickte Stuhr, obwohl er dabei ein schlechtes Gewissen hatte. Hoffentlich kam sie ihm nicht auf die Schliche. Aber Jenny hatte schon wieder ihren Weichspülerblick aufgesetzt. »Dann lass uns wenigstens gemeinsam Ruhe finden, mein Schatz.«
Na also, es war doch alles nur halb so schlimm. Er versuchte, Jenny in das Doppelbett zu drängen, doch sie wehrte sich heftig.
»Helge, du denkst doch nicht im Ernst, dass ich das Bett, in der eine Verflossene von dir gelegen hat, auch nur anrühren würde? Wir können in meinem Zimmer schlafen, das wird noch frei sein. Bezahlt ist es auch. Oder magst du es nicht eng?«
Doch, Stuhr liebte es eng, insbesondere mit Jenny. Er freute sich darauf, nach den Anstrengungen und Überraschungen des Tages mit ihr zur Ruhe zu kommen. Selbst das auf dem Tresen verwaiste Weizenbier erschien ihm jetzt wertlos gegen das Zusammensein mit Jenny. Doch wie er morgen alles der Dame am Tresen klarmachen sollte, ohne dabei rot zu werden, das überstieg bei Weitem sein derzeitiges Vorstellungsvermögen.
Arsch auf Eimer
Es gibt Tage, die fangen schlecht an und enden übel. Gestern war bereits ein solcher Tag gewesen, und das schien sich heute zu wiederholen. Unangenehm wach geworden war Olli durch die Sonnenstrahlen, die durch die Vorhänge schimmerten und das gesamte Schlafzimmer in ein schlafstörendes gelbes Licht getaucht hatten.
Nachdem er sein Handy eingeschaltet und zunächst auf dem Küchentisch abgelegt hatte, kündeten endlos viele Kuckuck-Rufe von eingetroffen Kurznachrichten oder Anrufversuchen. Mürrisch musste er nach dem Gang zur Dusche feststellen, dass ausgerechnet Petra Bester von der Kieler Rundschau ihn mehrfach angesimst hatte. Sicher, sie war eine elegante
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