Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Friesisch Roulette

Friesisch Roulette

Titel: Friesisch Roulette Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Marvin Entholt
Vom Netzwerk:
Kehle lief. Wie viel Blut so ein kleines Schaf in sich trug. Enno stellte eine Wanne darunter, um es aufzufangen. Er setzte sich, vergrub sein Gesicht in den Händen, die rot waren und jetzt auch seine Wangen rot färbten.
    ***
    Draußen, in einiger Entfernung von Fockos Scheune, setzte Johann keuchend die Schubkarre ab. Er sah das Licht, das durch die Holzlatten des Verschlags fiel, und wunderte sich. Wieso war Licht in Fockos Scheune? Hatte der das angelassen, vor Tagen, als er noch lebte? Oder trieb sich irgendjemand dort herum, womöglich Fockos Mörder?
    Johann ließ die Karre mit dem toten Focko, wo sie war, und schlich sich vorsichtig an die Scheune heran. Er hörte ein seltsames Greinen und Rumpeln, einen Aufschrei und konnte sich keinen Reim auf die Geräusche machen. Wurde schon wieder jemand umgebracht?
    Und was, wenn er entdeckt werden würde? So gut das in seinem groben Schuhwerk möglich war, schlich Johann bis zur Bretterwand der Scheune und versuchte, durch einen Spalt etwas zu erspähen. Was er sah, verschlug ihm die Sprache und war ein beinahe noch größeres Rätsel als alles, was ihm in den Tagen zuvor begegnet war.
    Wenn er sich je für Kunst interessiert hätte, hätte ihn die Szenerie, die er sah, an ein Happening von Otto Muehl aus den sechziger Jahren erinnert: Von der Decke hing ein totes Schaf, darum herum sprang wie von einem Dämon besessen der über und über besudelte Enno und verteilte Blut in der ganzen Scheune, schüttete es aus einer Wanne gegen die Wand und schrie und jammerte dabei.
    Johann drehte sich um, lehnte sich an die Scheunenbretter und schaute in die Dunkelheit. Was zum Teufel war das dadrinnen? Was ging da vor? Hatte Enno vollkommen den Verstand verloren? Offensichtlich ja. Aber warum? Gehörte er irgendeiner seltsamen Sekte an? Nahm er Drogen? Hatte er im Blutrausch auch Focko umgebracht?
    Konsterniert schlich Johann zu seiner Schubkarre mit Focko zurück. Er sah das in Teichfolie geschnürte Bündel mitleidig an und überdachte seinen Plan. Eigentlich hatte er Focko ja dorthin bringen wollen, wo er hingehörte, nämlich auf dessen eigenen Hof. Sollte ihn da doch wann auch immer finden, wer wollte. Was hatte er damit zu schaffen? Er wollte ihn einfach loswerden und nicht noch mal irgendeinen Fehler machen beim Vertuschen von etwas, womit er im Grunde nichts zu tun hatte, so wie es ihm beim Entsorgen der Waffe passiert war.
    Johann entschloss sich, einfach zu warten. Irgendwann würde Enno sich ausgetobt haben und wieder nach Hause gehen. So hoffte er.

33
    Beckmann saß im Schein seiner Schreibtischlampe, vor sich eine aufgeschlagene Akte, daneben ein leeres Notizblatt, in der Rechten einen Bleistift. Er wusste aus Filmen, dass Kommissare, die an kniffligen Fällen arbeiteten, oft nächtelang im Büro saßen, Fertigpizza oder gar nichts aßen, kaum schliefen, sich nicht rasierten und schlecht gelaunt waren. Er wusste zwar nicht, ob seine Kollegen im wahren Leben das wirklich so hielten, aber er wollte nichts unversucht lassen.
    Die schlechte Laune stellte für ihn ohnehin kein Problem dar, den Rest würde er auch noch hinbekommen. Nur der Fall löste sich deshalb leider nicht von selbst, das war äußerst misslich. Es war ein bisschen so, als würde man ein Buch kaufen und glauben, mit dem Erwerb habe man das darin enthaltene Wissen schon aufgesogen. Beckmann hatte eine ganze Reihe von Büchern zu Hause, die er mit diesem frommen Wunsch gekauft hatte. Hatte er überhaupt mal eines zu Ende gelesen?
    In Gedanken ging er die Buchrücken in seinem Regal durch. »Schuld und Sühne«, »Vergebung«, »Die Räuber«, »Der Prozess«, »Wem die Stunde schlägt«, »Warten auf Godot« …
    Konzentration! Der Fall! Crassula ovata gemahnte ihn aus dem Halbschatten heraus des Aktenstudiums. Es war, als würde seine Mutter zu ihm flüstern.
    Beckmann starrte auf die Akte wie ein Schüler auf seine Klassenarbeit, deren Aufgabenstellung er nicht einmal verstand. Abschreiben war in diesem Fall leider keine Option.
    Also noch mal von vorn: Der Tote war nicht zu identifizieren; dass er mit der gefundenen Waffe erschossen worden war, half auch nicht weiter, solange man nicht wusste, wem sie gehörte. Eine ominöse Gestalt mit einem Nachtsichtgerät, die vermutlich in die Sache verstrickt war, der er aber nichts nachweisen konnte. Ansonsten zwei geklaute

Weitere Kostenlose Bücher