Friesisch Roulette
Autos, eine Handvoll maulfauler Zeugen, die nichts wissen oder sagen wollten, und eine vollkommen unbrauchbare Informantin, die alles gesehen haben wollte und in Wahrheit gar nichts wusste. GroÃartig!
Beckmann überlegte, was Fernsehkommissare in solch einer Situation machen würden.
Er bekam Appetit auf eine Fertigpizza.
34
Es hatte heftiger zu regnen begonnen.
Johann hatte seine Schubkarre von Fockos Scheune fort hin zum Schuppen geschoben, um sich unterzustellen.
Vorsichtig spähte er durch die angelehnte Tür, leuchtete mit der Taschenlampe hinein und trat schlieÃlich ein. Er geriet sofort in ein dichtes Netz aus Spinnweben, die er sich fluchend aus dem Gesicht wischte.
Der Lichtkegel seiner Taschenlampe erfasste einen alten Heuwender und Teile anderer Landmaschinen, über die sich jeder Museumskurator gefreut hätte.
»Mensch, Focko«, kam es Johann leise über die Lippen, halb zu dem Bündel in Folie vor sich auf der Karre, halb zu sich selbst gesprochen. Hier war vermutlich schon Jahre niemand mehr gewesen, und aufgeräumt hatte hier wohl noch nie jemand.
Johann spähte rüber zur Scheune, in der immer noch Licht brannte, schüttelte den Kopf und schaute sich weiter um, um die Wartezeit zu überbrücken, bis Enno fertig war â was auch immer er da drüben machte.
Hinten in der Ecke stand doch tatsächlich die alte Kreidler Florett! Sofort kamen Johann ihre nächtlichen Fahrten über die Deiche in den Sinn. Flach auf Tank und Lenker liegend, um noch einen halben Stundenkilometer mehr rauszuholen, die Tachonadel zitterte knapp hinter dem Strich, der die Neunzig markierte, das war Rekord.
Total verrostet stand sie jetzt da, ohne Vorderrad, zugebaut hinter zwei alten Fahrrädern, auf denen wahrscheinlich noch Fockos GroÃeltern geradelt waren. Davor wurmstichige Tische, eine Kommode und aufgetürmte zwei- und dreibeinige Stühle, die Focko bestimmt irgendwann mal reparieren wollte, aber selbst wenn er älter hätte werden dürfen, hätte er es vermutlich nie getan.
Der ganze Schuppen war eine einzige groÃe Ansammlung aufgeschobener Taten, nicht erfolgter Reparaturen, zu ordnender Erinnerungsstücke. Bilderrahmen, ein Vogelkäfig, Farbeimer, Kanister â lauter Dinge, von denen man glaubte, sie irgendwann einmal gut gebrauchen zu können, und die dann doch Jahrzehnte unberührt liegen blieben.
Eigentlich könnte er Focko ja auch hier lassen, aber ihn einfach in diesem Durcheinander abzustellen schien ihm unwürdig. Die Scheune, in der jetzt Enno herumtobte, hatte er in Gebrauch gehabt, das war mehr seine Welt gewesen als dieses Museum ungelebten Lebens.
Drüben brannte immer noch Licht, und Johann war in der Stimmung, seine Melancholie zu schüren.
Er begann, sich zu dem alten Moped vorzuarbeiten, trug das babylonische Stuhlgewirr ab und wollte die Kommode beiseite rücken, um der blechernen Erinnerung an alte Zeiten näher zu kommen. Doch die obere Platte der Kommode lag nur lose auf, und da Johann mit Kraft angeschoben hatte, sauste sie mit einem ordentlichen Schwung halb vom Untergestell, und Johanns Hand prallte gegen die Kante des Möbels. Fluchend betrachtete er seine schmerzenden Finger.
Doch dann fiel sein Blick in das Innere der Kommode. Darin lagen, säuberlich aufgeschichtet, etwa ziegelgroÃe, in Folie gehüllte Päckchen.
Johann, der in den Jahren, die er nicht auf dem Land gelebt hatte, eine bewegte Zeit durchgemacht hatte, wusste sofort, was er da vor sich hatte: Drogen, und zwar eine beträchtliche Menge. Oder etwa nicht?
Das wurde ja immer wilder, Focko und Drogen! War der ganze Ãkoaktivismus nur Schein, und in Wahrheit war der wirre Focko ein abgebrühter Dealer? Sein Hof die Drehscheibe internationalen Drogenhandels? Sein Tod Ergebnis eines Bandenkrieges? Und drüben tanzte Enno um ein totes Schaf. Hatte er von den Drogen genommen? Was war hier überhaupt los seit einigen Tagen?
Johann begriff immer weniger. Geistesabwesend nahm er eines der Päckchen, schlitzte es mit einem rostigen Schraubenzieher auf, und zum Vorschein kam zu einem festen Block gepresstes weiÃes Pulver, das sicher kein Waschmittel war.
35
Enno war in sich zusammengesackt. Seine Raserei war einer unendlichen Erschöpfung gewichen, aus der er sich nur allmählich wieder aufrappelte. Traurig, aber zufrieden schaute er sich um: Das Schafsblut hatte alle anderen Flecken auf der Wand
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