Friesisch Roulette
kaum Ertrag und nicht genug, um von Subventionen leben zu können, bedauerte Enno den Niedergang der Bauerndynastie Osmers und sich selbst.
Trudi zog Enno an ihrem Strick aus seinen Gedanken.
Zu sehen war niemand, wer auch?, und Enno öffnete die angelehnte Tür zur Scheune. Er scheuchte seine Schafdame hinein und zog die Tür hinter sich zu. Zwischen den alten Planken, mit denen die Scheune verschalt war, fiel in schmalen Streifen das restliche Licht des Tages hinein. Genug, um nicht über den Stuhl zu stolpern, der herumlag.
Trudi begann, von dem uralten Stroh zu fressen, und Enno setzte sich auf den Boden.
Hinter ihm, an der einzigen vor ewigen Zeiten einmal weià getünchten Wand, waren bräunliche Spuren zu sehen, ein gröÃerer Fleck und drum herum eine Menge Spritzer. Die Flecken hatten erst durch Antrocknen ihren dunklen Ton erhalten.
Vor Kurzem noch waren sie blutrot gewesen.
29
»Da war ân Fremder, aber ob das der auf dem Foto war, kann ich Ihnen nicht sagen, der sieht da ja nicht mehr so gut aus«, sagte Heinrich Siedenbiedel und legte das Bild wieder auf den Tresen.
»Ach, und warum haben Sie uns das nicht gleich gesagt?«, fuhr Kommissar Beckmann ihn an.
»Vergessen. Haben Sie ja nicht so direkt danach gefragt.« Heinrich Siedenbiedel lieà sich nicht aus der Ruhe bringen.
»Und wann war das?«
»So vor âner Woche vielleicht.«
»Geht das auch etwas genauer?«
»Glaub nich.« Wenn Heinrich Siedenbiedel etwas auf den Tod nicht leiden konnte, dann war das so eine schulmeisterliche Art, nachzuhaken.
»Und was hat er so getan oder gewollt, dieser Fremde?« Beckmann wippte auf seinen Zehen.
»So gefragt, nach diesem und jenem.«
Die Männer sahen sich an, und eine Pause entstand.
Es war Heinrich Siedenbiedel, der schlieÃlich die Initiative ergriff: »Ach, und ân Stück Mettwurst hat er gekauft.«
»Interessant. Und was hat er so wissen wollen? Was war âºdiesesâ¹ und âºjenesâ¹, wonach er gefragt hat?« Beckmann geriet offenbar an die Grenzen seiner Geduld. Seine Kollegin lieà ihn diesmal gewähren.
»Würde ihn an seinen Opa erinnern, hat er gesagt.«
»Was würde ihn an seinen Opa erinnern?«, fragte Beckmann irritiert. »Ich wollte wissen, wonach er gefragt hat!«
»Ob wir die selber machen.«
Beckmann war sehr kurz davor, eine Dummheit zu begehen.
»âºNeeâ¹, hab ich ihm gesagt, âºdie ist von Schlachter Kossmann.â¹ Wir haben früher ja auch geschlachtet, wissen Sie, aber seit die Kinder aus dem Haus sind, lohnt sich das nicht mehr. So viel wird die auch wieder nicht gekauft.«
»Hat er noch irgendwas gesagt, was für uns von Interesse sein könnte? Nun reden Sie schon!«
»Mögen Sie mal ein Stück?«, fragte Heinrich Siedenbiedel zuvorkommend und hielt dem Kommissar die Wurst hin.
Beckmann holte tief Luft, drehte sich um, atmete aus und wandte sich wieder Heinrich Siedenbiedel zu.
»Und Sie bleiben dabei, dass Sie keine Waffe besitzen oder besessen haben? Könnte ja sein, dass Sie das auch vergessen haben.«
»Nö. Ich vergess nix.«
Die beiden Kripobeamten sahen sich an, nickten sich zu und machten auf ihren Absätzen kehrt. GruÃlos gingen sie Richtung Tür.
»Ach ja. Nach âner Tankstelle hat er gefragt«, rief der Kaufmann ihnen hinterher. »Sehn Sie, hab ich nicht vergessen!« Er strahlte die beiden an.
»Hatte er ein Auto?«, fragte Beckmann.
Heinrich Siedenbiedel schaute Beckmann mit einem Blick an, der ihn dazu nötigte, die mangelnde Brillanz seiner Frage selbst einzusehen.
»Vielleicht ein altes Auto?«, präzisierte die Frau.
»Na ja, neu war das nicht.«
Die Kommissarin zückte ein Foto des verlassen aufgefundenen BMW und ging noch mal auf Heinrich Siedenbiedel zu.
»Warâs das?«
»Könnte wohl gewesen sein. Könnte aber auch eins gewesen sein, das bloà genauso aussieht.« Er blinzelte die Kommissarin freundlich an.
»Sie verkaufen auch Klebeband?«, fragte Beckmann, nachdem er seinen Blick durch den Laden hatte schweifen lassen. Diese sture Krämerseele würde er schon noch knacken.
»Darf ich das nicht?«, fragte Siedenbiedel arglos.
Die beiden Polizisten sahen sich an, drehten sich um und gingen.
Dass der Fremde Heinrich Siedenbiedel nicht nur nach einer Tankstelle, sondern auch nach dem Besitzer eines
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