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Friesisch Roulette

Friesisch Roulette

Titel: Friesisch Roulette Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Marvin Entholt
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überdeckt.
    Während er sich umsah, fiel sein Blick auf sechs gestapelte, offensichtlich uralte Säcke Kaliumnitrat-Dünger. Focko, der Naturfreak und Ökoapostel, hortete geächtete Düngemittel? Wollte Focko plötzlich ein guter Landwirt und Gärtner werden, ein Vorzeigenachbar, oder was steckte dahinter?
    Kein Mensch in der näheren Umgebung betrieb Ackerbau und brauchte solche Mengen Dünger. Warum also Focko? Was wollte er mit hundertfünfzig Kilo Kaliumnitrat, wenn sein Garten der lebende Beweis dafür war, dass die Natur ein Stück ehemaliger Kulturlandschaft unumkehrbar zurückerobern konnte?
    Kaliumnitrat … Im »Friesischen Tageblatt« hatte kürzlich irgendetwas darüber gestanden, kam Enno in den Sinn. Es war ein Artikel über Terroristen gewesen. In dem Text ging es um eine Bombe, die sich eine links-, rechts- oder sonst wie orientierte Terrorgruppe aus handelsüblichen Zutaten zusammenbasteln wollte. Die Polizei war ihnen wohl auf die Schliche gekommen und hatte die erforderlichen Zutaten gefunden, eben Dünger und noch irgendetwas, das hatte Enno sich gemerkt.
    Ob das seltsame Paket damit in Verbindung stand? Focko als Bombenbauer? Unmöglich, einerseits. Andererseits … verrückt genug war er, voll genug von Wut auf alles und jeden auch, warum also nicht?
    ***
    Enno war nach Hause gestürmt und brachte nun den ohnehin schon nicht ganz ordentlich aufgehäuften Stapel an Zeitungspapier neben dem Kachelofen vollends durcheinander und zum Einsturz. Wann war das gewesen, vor einer Woche oder zweien, oder war es schon einen Monat her?
    Er wühlte sich durchs Druckwerk: »Gülle-Drama – Kuh bricht durch Stallboden«, »Streit um den Ausbau der Landstraße«, »Finanzhilfen für Südeuropa«, »Dramatische Scheidung in Hollywood«, »Entlaufene Katze nach sechzehn Jahren wieder zu Hause«, da: »Spezialkräfte stürmten am späten Montagabend das Hauptquartier der Terrorzelle, die mehrere Anschläge auf öffentliche Einrichtungen geplant hatte. Die Ermittler fanden größere Mengen an Kaliumnitrat-Dünger und anderen im freien Handel erhältlichen Produkten.«
    Enno ließ die Zeitung sinken. Er sah seinen alten Kumpel Focko in einem völlig neuen Licht, mit einer Mischung aus Verständnislosigkeit und Respekt. Immerhin musste er für einen Moment lang nicht an seine treue Trudi denken, die er ganz vergessen hatte in Fockos Scheune.

36
    Johann sah, dass in der Scheune kein Licht mehr brannte. Er hatte das aufgeschlitzte Drogenpäckchen zurück zu den anderen gelegt, die Platte der Kommode wieder darübergeschoben und wollte seinen Fund am liebsten ganz einfach vergessen. Sollten andere sich darum kümmern. Dass das Zeug aus dem Verkehr gezogen war und durch Fockos Tod wohl auch bleiben würde, war ja nicht das Schlechteste. Dass Focko etwas mit Drogenhandel zu tun haben sollte, wollte ihm allerdings immer noch nicht so recht in den Kopf.
    Die Lust darauf, das alte Moped näher in Augenschein zu nehmen und weitere Erinnerungen heraufzubeschwören, war ihm gründlich vergangen. Er wollte jetzt nur noch Focko nach Hause überführen und die letzten Tage aus seiner Erinnerung streichen. Ein Bier wäre jetzt recht, aber da musste er sich noch gedulden.
    Johann überquerte mit seiner Last den Hof, hielt vor der Scheune kurz inne, horchte hinein, öffnete vorsichtig die Tür und stand vor dem toten Schaf, das von der Decke baumelte.
    Vollkommen ratlos betrachtete er das Blutbad, das Enno angerichtet hatte, aber er wollte sich nicht schon wieder fragen, was da vor sich gegangen war, er würde sowieso keine sinnvolle Antwort finden. Also holte er die Schubkarre mit dem eingewickelten Focko, schob sie zu dem Schaf, dachte sich, dass die beiden dann wenigstens nicht allein waren, und ging. Die Tür lehnte er an, so, wie er sie auch vorgefunden hatte.

37
    Nicolaj war zufrieden, er war kurz davor, Putin zu finden, das spürte er. Aber warum nur hielt der Kerl sich versteckt und gab kein Lebenszeichen von sich? Sibirischer Fischkopf, blöder.
    Nicolaj erreichte ein Gehöft, das im Dunklen lag. Anscheinend waren die Besitzer schon zu Bett gegangen. So gut sein Orientierungsvermögen bei Tag war, so lausig war es bei Dunkelheit. Die Lektion hatte er bei den jungen Pionieren verpasst.
    Er strich schon geraume Zeit nach Dämmerung über die Weiden,

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