Frisch getraut: Roman (German Edition)
Herzen, wenn sie an ihn dachte. Stattdessen war sie aus einem kleinen Samenkorn gewachsen, hatte die Ritzen und Spalten in der Mauer gefunden, die ihr Herz schützte, und sie ohne ihr Wissen umwuchert, bis sie gefangen war.
Auch wenn sie und Sebastian über vieles gesprochen hatten, über ihre Gefühle füreinander hatten sie nie geredet. Doch wenigstens verschloss sie sich der Realität nicht. Nicht mehr. Klar, er wollte ausschließlich mit ihr schlafen, doch sie wusste, dass er sie nicht liebte. Sie war schon mit Männern zusammen gewesen, die sie liebten. Vielleicht hatte sie nicht genauso empfunden, aber sie wusste, wie sich ein verliebter Mann verhielt. Ganz bestimmt nicht wie Sebastian.
Wieder einmal war sie auf den Falschen reingefallen. Sie war eine solche Närrin.
An jenem Abend dachte sie beim Zubettgehen an Sebastian, und als sie aufwachte, spukte er ihr immer noch durch den Kopf. Sie dachte an den Geruch seines Halses und die Berührung seiner Hände, doch sie weigerte sich, ihn anzurufen. Eigentlich hatte sie den perfekten Vorwand, denn sie musste ihn
anrufen und sich für das Geburtstagsgeschenk bedanken. Die Etikette verlangte es sogar von ihr, ihn wenigstens anzurufen, doch sie weigerte sich, der Sehnsucht nachzugeben, seine Stimme zu hören. Wenn sie einfach versuchte, ihre Gefühle zu ignorieren, würden sie vielleicht wieder in Deckung gehen. Doch sie redete sich nicht ein, dass sie vollkommen verschwinden würden. Schließlich war sie eine vierunddreißigjährige Beziehungsveteranin und ehemalige Liebessüchtige. Doch vielleicht, wenn sie sehr viel Glück hatte, würde ihre Liebe durch die Entfernung zu ihm ein kleines bisschen schrumpfen.
Achtzehn
Drei Tage nach Clares Geburtstag rief Sebastian an, und sie musste feststellen, dass sie nicht so viel Glück hatte. Ganz und gar nicht. Eher im Gegenteil. Der Anblick seines Namens auf dem Display tat ihr in der Seele weh.
»Hallo«, meldete sie sich und war bemüht, ruhig und ein wenig blasiert zu klingen.
»Was hast du gerade an?«
Sie schaute auf ihren Morgenmantel und ihre nackten Füße und zog eine Bürste durch ihr feuchtes Haar. »Wo bist du?«
»Auf deiner Veranda.«
Sie hielt inne, genau wie die Blutzufuhr zu ihrem Gehirn. »Du stehst vor meinem Haus?«
»Ja.«
Sie eilte aus dem Schlafzimmer zum Eingang. Sie öffnete die Tür, und da stand er, trug ein weißes T-Shirt unter einem tiefgrünen wollenen Button-up-Pulli und sah wunderschön aus. Lachfältchen zerknitterten die Winkel seiner grünen Augen, und er hakte sein Telefon wieder an den braunen Ledergürtel, den er sich um die Hüften der verblichenen Jeans geschlungen hatte. O Gott, sie war in Schwierigkeiten.
»Hallo, Clare.« Der Klang seiner Stimme löste auf ihrem Rücken ein heißes Kribbeln und auf ihren Armen eine Gänsehaut aus.
»Was machst du hier?«, fragte sie in den Hörer. »Du hast mir gar nicht gesagt, dass du Leo besuchen willst.«
»Leo weiß nicht, dass ich hier bin.« Er nahm ihr das Telefon ab, drückte den Aus-Knopf und gab es ihr zurück. »Ich bin extra hergeflogen, um dich zu sehen.«
Sie schaute an ihm vorbei zu dem Mustang, der in ihrer Einfahrt parkte. Er hatte Nummernschilder aus Idaho. »Mich?« Ihr Herz wollte das als Zeichen deuten, dass er mehr in ihr sah als nur eine Freundin mit Vorzügen, doch ihr Verstand ließ es nicht zu.
»Ja. Ich will bei dir bleiben. Die ganze Nacht. Wie damals, als du mich in Seattle besucht hast. Ich will mich nicht zu Leo zurückschleichen wie ein Kind. Als würden wir was Falsches tun.«
Sie sollte ihn wegschicken, bevor sie sich noch mehr in ihn verliebte, doch dafür war es viel zu spät. Sie öffnete die Tür weit und ließ ihn rein. »Du willst hier schlafen?«
»Irgendwann schon.« Er folgte ihr ins Haus und wartete, bis sie die Tür geschlossen hatte, bevor er nach ihr griff.
»Über meinem Bett hängt aber Spitze, weißt du noch? Es könnte etwas Grässliches passieren, wenn du in einem Weiberbett schläfst.«
Er zog sie an seine Brust. »Das riskier ich.«
»Danke für dein Geburtstagsgeschenk.« Sie legte lächelnd die Hände auf seine Schultern. »Es war sehr aufmerksam von dir, es rechtzeitig herzuschicken.«
»Hat es dir gefallen?«
»Wahnsinnig.«
»Beweis es mir«, knurrte er, stürzte sich auf sie und küsste sie auf den Mund. Er berührte sie wie immer, nur diesmal
reagierte sie anders. Egal, wie sehr sie sich dagegen wehrte, sie war verliebt in Sebastian. Sie war mit dem Herzen dabei,
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