Frisch getraut: Roman (German Edition)
musst.«
»Muss ich nicht.« Er stand auf und streckte sich. »Ich arbeite nicht richtig. Ich spiele nur so rum.«
»Solitaire?« Sie trat näher und nahm einen Schluck Kaffee aus dem Becher in ihrer Hand.
»Nein. Ich hab eine Idee für ein Buch.« Es war das erste Mal seit Langem, dass er so heiß auf ein Projekt war. Wahrscheinlich seit dem Tod seiner Mutter.
»Eine Story, über die du in letzter Zeit berichtet hast?«
»Nein. Belletristik.« Es war auch das erste Mal, dass er sein Vorhaben laut aussprach. Er hatte es noch nicht mal seinem Agenten gesagt. »Ich dachte mehr an so was wie einen Journalisten, der brisante Regierungsgeheimnisse aufdeckt.«
Sie zog die Augenbrauen hoch. »Wie Ken Follett oder Frederick Forsyth vielleicht?«
»Vielleicht.« Er trat hinter seinem Schreibtisch hervor und lächelte. »Vielleicht werde ich auch Liebesroman-Autor.«
Hinter ihrem Becher wurden ihre Augen groß, und sie fing an zu kichern.
»Warum lachst du? Ich bin ein großer Romantiker!«
Sie setzte den Becher auf seinem Schreibtisch ab, und ihr Lachen wurde zu einem Erstickungsanfall, der so lange anhielt, bis er sie über die Schulter warf und zurück zum Bett trug wie Valmont Drake aus ihrem neuesten Buch, Der Liebe ergeben .
Am dritten März wurde Clare vierunddreißig und stand der Tatsache, wieder ein Jahr älter zu werden, mit zwiespältigen Gefühlen gegenüber. Einerseits gefielen ihr die Weisheit, die das Alter mit sich brachte, und das Selbstvertrauen, das damit einherging. Andererseits gefiel ihr die tickende Stechuhr in ihrem Körper nicht. Die jeden Tag und jedes Jahr zählte und sie daran erinnerte, dass sie immer noch allein war.
Schon vor Wochen hatte sie eine kleine Feier mit ihren Freundinnen geplant. Lucy hatte für den Abend einen Tisch im The Milky Way im alten Empire-Gebäude in der Innenstadt reserviert, doch davor wollten sie sich noch bei Clare auf ein Glas Wein treffen und ihr die Geburtstagsgeschenke überreichen.
Als Clare sich für den Abend ein Jersey-Kleid von Michael Kors anzog, das sie im Ausverkauf bei Nieman Marcus erstanden hatte, musste sie an Sebastian denken. Soweit sie wusste, war er in Florida. Sie hatte seit einer Woche nichts mehr von ihm gehört, als er ihr erzählt hatte, dass er einen Artikel über die aktuelle Welle kubanischer Immigranten schreiben wollte, die Little Havana überschwemmte. In den vergangenen zwei Monaten hatte sie ihn wenigstens jede zweite Woche gesehen, wenn er mit dem Auto oder mit dem Flieger nach Boise kam, um seinen Vater zu besuchen.
Clare hakte sich ein Paar silberne Kreolen in die Ohren und sprühte sich Escada auf die Innenseite der Handgelenke. Im Moment funktionierte ihre Nicht-Beziehung mit Sebastian gut. Sie hatten Spaß zusammen, und sie stand unter keinerlei Druck, ihm gefallen zu müssen. Sie konnte mit ihm über alles reden, weil sie sich keinen Kopf darüber machen musste, ob er der Richtige war. Das war er ganz sicher nicht. Der Richtige
würde schon noch kommen. Und bis dahin verbrachte sie nur allzu gern Zeit mit dem Richtigen hier und jetzt.
Wenn er in der Stadt war, freute sie sich, ihn zu sehen, doch sie litt weder an Herzrasen noch an Herzschmerz, und flau im Magen wurde ihr auch nicht. Na ja, vielleicht ein bisschen, aber das hatte mehr damit zu tun, wie er sie ansah, als mit ihren Gefühlen für ihn. Sie verlor auch nicht ihre Fähigkeit, zu atmen oder rational zu denken. Er war einfach unkompliziert. Sobald es nicht mehr funktionierte, würde sie Schluss machen – oder er. Kein großes Drama. So lautete die Abmachung. Auch wenn sie momentan monogam waren, wusste sie, dass es nicht ewig so bleiben würde, und sie erlaubte sich auch nicht, so weit vorauszudenken.
Clare griff nach ihrem roten Lippenstift und beugte sich zum Spiegel an der Frisierkommode. Sie war noch nicht bereit für eine ernste Beziehung. Noch nicht. Erst letzte Woche hatte sie beschlossen, die Lage zu peilen, und sich mit Adele im Montego Bay zum Speed-Dating-Abend des Restaurants getroffen, wo man acht Minuten hatte, um jemanden kennenzulernen, bevor man zum nächsten Tisch wechselte. Die meisten Männer, die sie an dem Abend kennengelernt hatte, waren ihr völlig akzeptabel erschienen. Im Grunde war an ihnen nichts auszusetzen gewesen, doch zwei Minuten nach Beginn ihres ersten »Date« hatte sie den Mund aufgemacht und verkündet: »Ich habe vier Kinder.« Als ihn das nicht total abtörnte, hatte sie hinzugefügt: »Alle unter sechs Jahren.« Im
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