Frisch verliebt - Mallery, S: Frisch verliebt
warnte Claire anschließend: „Wage es nicht, dich auf ihre Seite zu stellen.“
„Das werde ich nicht tun. Ich weiß, dass es hart für dich war.“ Das galt zwar auch für Jesse, aber Claire zog es vor, dies lieber nicht auszusprechen. Anders als Nicole konnte sie schließlich leicht vernünftig sein und beide Standpunkte sehen. Und auch wenn sie sich Sorgen um Jesse machte, musste sie zugeben, dass ihre kleine Schwester in den letzten paar Wochen mehr als einmal gewaltig Mist gebaut hatte.
„Es nervt, dass es noch zu früh ist, um sich zu betrinken.“
„Du nimmst doch Schmerzmittel.“
„Die würde ich für einen Wodka-Tonic mal weglassen. Jedenfalls, wenn es jetzt vier oder wenigstens drei Uhr wäre. Wie spät ist es?“
„Ungefähr halb zehn am Morgen.“
Nicole stöhnte. „Dann muss ich noch stundenlang warten.“ Sie humpelte zum Sofa und ließ sich fallen. „Ich bin froh, dass du da bist.“
Claire setzte sich ihr gegenüber. „Ich auch, und egal was geschieht, ich möchte, dass wir uns nahebleiben. Damit hätten wir schon früher beginnen sollen.“
Nicole verzog das Gesicht.
Claire lächelte. „Was willst du sagen?“
„Fast hätte ich wieder mit der Leier angefangen, dass du mich ja verlassen hast. Aber nein, ich sage es nicht. Du warst damals sechs und hattest keine Wahl. Ich habe dich mehr vermisst, als ich sagen kann.“
„Ich dich auch, zumal wir ja vorher nie voneinander getrennt waren. Es kam mir vor, als hätte man mir einen Arm abgeschlagen. Ich war so einsam, und das Gefühl hat mich nie wieder verlassen.“
„Das ging mir genauso, obwohl ich dann auch beschäftigt war. Jesse kam ein paar Wochen, nachdem du fort warst, zur Welt. Das hat alles verändert.“
Für Nicole, dachte Claire. Nicht für mich. Ihr hatte die Großmutter von der neuen Schwester nur erzählt und auch ein paar Fotos gezeigt.
„Ich hätte öfter anrufen sollen“, räumte Claire ein. „Aber damals hatten wir nicht das Geld dazu. Es muss teuer gewesen sein, und dann kam ja auch noch der Zeitunterschied dazu.“ Und später dann, als sie selbst entscheiden konnte, wann und wie oft sie anrief, hatte Nicole nicht mehr mit ihr reden wollen.
Ihre Schwester seufzte. „Okay, ich war sehr wütend auf dich und wollte dir nicht verzeihen.“
Oh Wunder! War das etwa eine Entschuldigung von Nicole? „Ich glaube, das Wort, nach dem du suchst, ist, Zicke’.“
„Vielleicht.“
„Da gibt es kein vielleicht, Schätzchen. Du warst die Zickenkönigin.“
„Von mir aus will ich ja zugeben, dass ich zum Hofstaat gehörte, aber die Königin war ich nicht.“
„Na gut, damit kann ich leben.“
Sie lächelten sich gegenseitig an, bis Claire das Risiko einging, diesen Augenblick zu verderben: „Was wirst du wegen Jesse unternehmen?“
„Ich habe nicht die geringste Ahnung. Ich möchte, dass sie anders ist, und das wird nicht geschehen. Ich will, dass sie Verantwortung übernimmt, und damit habe ich schon wieder jede Chance, enttäuscht zu werden. Ich will, dass sie erwachsen wird, und damit steht es drei zu null gegen mich.“ Sie zog sich ein Couchkissen vor den Bauch und legte die Arme darum.
„Ich weiß nicht, was ich mit dieser Anzeige machen soll. Einerseits sage ich mir, ich sollte sie fallen lassen, weil sie ja zur Familie gehört und bla, bla, bla. Andererseits will ich aber auch, dass sie begreift, dass das, was sie getan hat, Konsequenzen hat. Was denkst du?“
„Ich weiß es nicht“, gab Claire zu. „Ich sehe es wie du. Sie gehört zwar zur Familie, hat aber totalen Mist gebaut. Mich darfst du nicht fragen.“
„Und wir haben beide recht, was wiederum Teil des Problems ist. Ich bin in einer blöden Position“, erklärte Nicole, „denn ich bin ebenso sehr ihre Mutter wie ihre Schwester. Nie weiß ich, welche Rolle ich gerade spielen soll oder was ich tun muss. Ständig muss ich daran denken, dass ich irgendwo versagt habe, nur weil sie getan hat, was sie getan hat.“
„Nein“, beruhigte Claire sie. „Es ist nicht dein Fehler. Nicole, du bist nur sechs Jahre älter als sie. Du bist ihre Schwester, nicht ihre Mutter. Du hast es so gut gemacht, wie du konntest.“
„Ich glaube aber nicht, dass es gut genug war. Dieses Schuldgefühl ist mein Geheimnis. Willst du mir jetzt deins anvertrauen?“
Claire zögerte und Nicole riss erstaunt die Augen auf.
„Du hast eins?“
„Vielleicht. Ich habe mich in Wyatt verliebt.“
Nicole wirkte verblüfft. „War der Sex so schön?“
Damit
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