Frisch verliebt - Mallery, S: Frisch verliebt
umklammert. „Du warst so jung, als wir angefangen haben, miteinander zu arbeiten. Ich habe dich wie ein Kind behandelt, weil du eins warst. Aber du bist erwachsen geworden und das habe ich nicht bemerkt, weil es für mich leichter war, die Entscheidungen selbst zu treffen. Immer wieder hast du versucht, mir klarzumachen, dass du damit nicht glücklich bist, und ich habe nicht auf dich gehört. Aber ich wollte wirklich nicht, dass du unglücklich bist, und ich wollte nicht, dass du das Gefühl hast, in der Falle zu sitzen. Es tut mir leid.“
Claire dachte über das nach, was sie gesagt hatte. „Du hast immer getan, was du für richtig hieltest, um eine weitere Vorstellung aus mir herauszuholen. Das war für dich wichtiger als alles andere.“
„Aber doch nur, weil du so begabt bist. Claire, was du kannst, kann sonst niemand. Ich habe mir Sorgen gemacht, dass du das nicht sehen könntest. Ich hatte Angst, dass du deine eigene Begabung nicht respektierst.“
„Es ist aber an mir, meine Begabung zu respektieren oder auch nicht.“
„Ich weiß. Inzwischen kann ich das sehen. Aber ich finde den Gedanken schrecklich, dass du sie verkümmern lässt, wenn du nicht spielst.“
„Und kein Geld verdienst.“
„Auch das. Du bist meine einzige Klientin, Claire. Wenn du nicht mehr arbeitest, habe ich ein Recht darauf, es zu erfahren. Es geht auch um meinen Lebensunterhalt.“
Etwas, das Claire noch nie in Betracht gezogen hatte.
Sie führte Lisa zum Sofa. Nicole war nirgends zu sehen. Vermutlich hielt sie sich mit einem Becher Eiskrem in der Küche versteckt. Diese Liveperformance musste für sie viel interessanter sein als alles, was sie in der letzten Zeit im Fernsehen zu sehen bekommen hatte, dachte Claire und versuchte, der Situation Humor abzugewinnen. Niemandem würde es helfen, wenn sie sich aufregte. Es war besser, ruhig und rational zu bleiben.
„Ich bin auch mitverantwortlich für das, was falsch gelaufen ist“, sagte sie und sah Lisa dabei an. „Ich hätte deutlicher äußern müssen, wie unglücklich ich war. Stattdessen habe ich die Panikattacken eingesetzt, um zu erreichen, was ich wollte. Dann haben sie irgendwann angefangen, mich zu beherrschen. Ich wollte wie eine Erwachsene behandelt werden, aber ich habe mich nicht entsprechend verhalten. Wie ein Kind habe ich Bauchschmerzen vorgetäuscht, um eine Klassenarbeit in der Schule zu schwänzen. Das war falsch von mir.“
Puh, einen Fehler einzugestehen, war nicht gerade ihre Lieblingsbeschäftigung, aber es war notwendig. „Ich hätte auch nicht einfach verschwinden und dich hängen lassen dürfen“, fuhr sie fort. „Das war uns beiden gegenüber nicht fair. Ich entschuldige mich.“
„Auch ich entschuldige mich“, sagte Lisa. „Für alles.“
Ein paar Sekunden lang sahen sie sich gegenseitig an, und dann schnell jede in eine andere Richtung. Ihre Beziehung war noch nie so gewesen, dass sie sich locker hätten umarmen können, und Claire hatte keine Ahnung, wie es jetzt weitergehen sollte.
„Weißt du denn schon, was du als Nächstes tun wirst?“, fragte Lisa.
In diesem Augenblick wurde Claire klar, dass sie nun schon lange der Wahrheit ausgewichen war. „Ich werde nach New York und zu meiner Musik zurückkehren.“
Lisa ließ sich ins Sofa zurücksinken. „Gott sei Dank.“
Claire lächelte. „Freu dich nicht zu früh. Es wird vieles anders werden.“
„Was immer du willst. Im Ernst, du wirst das Sagen haben.“
„Wohl kaum“, antwortete Claire, denn sie wusste, dass Lisa ihren Job gut machte und dabei auch hartnäckig war. „Wir werden einen Weg finden müssen, Kompromisse zu schließen. Ich will nicht mehr wochenlang am Stück in der Welt herumreisen.“ Auch würde sie irgendwann wegen ihrer Schwangerschaft Flugreisen überhaupt vermeiden müssen, obwohl sie noch nicht wusste, ab wann mit dieser Einschränkung zu rechnen war.
„Du kannst dir deinen eigenen Terminplan zusammenstellen. Es gibt auch Arbeit im Studio.“
Claire nickte. „Ich möchte sehr viel Zeit in Seattle verbringen. Vielleicht kaufe ich mir hier ein Haus.“
„Du kannst hier auftreten, oder in San Francisco und Los Angeles. Auch in Phoenix gibt es eine Möglichkeit. Aus Japan liegt eine Anfrage vor, aber das nur, wenn du bereit bist, ins Ausland zu reisen.“ Lisa beugte sich zu ihr vor. „Wir können es schaffen, Claire. Ich möchte, dass wir Partner sind.“
Enge Freundinnen würden sie wohl nie werden, aber auch Claire wünschte sich, dass
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