Frischluftkur: Roman (German Edition)
benachteiligten Damen aus der Nachbarschaft ihren aerobicgestählten Luxuskörper präsentieren und dabei Andeutungen über ihren unwiderstehlichen Sex-Appeal machen könnte. Aber sie hofft, dass sie auch auf einer Putzparty die Gelegenheit dazu finden wird. Notfalls wird sie diese eben selbst schaffen.
***
»Ach, wie toll, ach, wie toll!«, jubelt Hanna mit sich leicht überschlagender Stimme. Man könnte meinen, sie hätte den Opel Corsa bei der großen Jahrestombola von Knurres Kramerlädchen gewonnen oder ein neues, ihr bisher unbekanntes Wischmopp-Modell entdeckt. Putzen ist Hannas Hobby. Ach was, Hobby. Putzen ist ihre große Leidenschaft. Jeder weiß, dass es bei Hanna zuhause immer picobello ist – jedenfalls der Teil, den man durch die geöffnete Eingangstür ins Blickfeld bekommt. Hanna lässt nur ungern Leute ins Haus. Es könnte ja sein, dass die Dreck einschleppen oder Fingerabdrücke hinterlassen. Kinder und Haustiere lehnt sie aus demselben Grund ab.
***
Petra ist zufrieden. Marlies, Tina und Hanna haben zugesagt. Endlich wird sie Gäste haben! Es fällt ihr ein wenig schwer, Anschluss im Dorf zu finden. Sie ist eine Zugezogene: Vor drei Jahren haben ihr Mann und sie den Bungalow in der Neubausiedlung gekauft. Die Neubausiedlung war genau genommen nur in den sechziger Jahren neu, inzwischen gibt es eine noch viel neuere Neubausiedlung. Aber der Name ist geblieben. Man hat sich einfach daran gewöhnt.
An das Alleinsein will sich Petra dagegen nicht gewöhnen. Aber wie soll sie Anschluss finden? Für den Sportverein ist sie zu unsportlich, für den Kirchenkreis nicht religiös genug und zu schüchtern, um wildfremde Menschen in Knurres Kramerlädchen anzusprechen. Immerhin, nach einem Jahr täglichen Einkaufen begann die Kassiererin, sie zu grüßen. Die Frau hinter der Fleischtheke hat sich sechs Monate später dazu durchgerungen. Die Frau, die das Käsesortiment betreut, grüßt auch jeden Hund und jedes mitgebrachte Plüschtier, die zählt also nicht.
Es ist etwas besser geworden, seit Petra zu den Veranstaltungen des Landfrauenvereins geht. Zwar hat sie mit Anfang dreißig noch keine Wechseljahrsbeschwerden, den Vortrag darüber fand sie trotzdem sehr interessant. Und dann haben die Damen vom Ideenkreis junger Landfrauen sie angesprochen, ob sie nicht bei ihnen mitmachen wolle. Petra war selig. Zuerst jedenfalls. Doch schon nach kurzer Zeit verflog ihre Begeisterung für Monique, die unangefochtene Königin des Ideenkreises, und ihre treuen Vasallinnen. Die scheinen sie eher als billiges Bodenpersonal zu betrachten. Zum Stühleschleppen, zum Fegen nach den Veranstaltungen und zur Erbsensuppenausgabe beim Dorffest wird Petra häufig eingeteilt. Ins Organisationsteam für die Junggesellenversteigerung hat sie es aber nicht geschafft – die Plätze waren sehr begehrt.
Eigentlich verspürt Petra gar kein Verlangen nach einem ehrenvollen Platz in der Dorffrauenhierarchie. Nein, sie will einfach Freundinnen finden. Schließlich ist schon wieder Herbst. Der Sommer ganz allein war blöd, und so ein einsamer Winter ist noch viel schlimmer, das weiß sie aus Erfahrung. Also hat sie sich überlegt, wie sie weiter vorgehen soll. Eine Einladung! Sie wird eine Party geben oder ein Kaffeekränzchen ... auf jeden Fall etwas Besonderes, Ausgefallenes. Dann wird man sie schätzen, dann bekommt sie Anerkennung.
Vor zwei Wochen hat ihre alte Schulfreundin Edith angerufen. Freundin ist vielleicht etwas übertrieben, sie gingen gemeinsam zur Grundschule und haben in dieser Zeit vielleicht neun oder zehn Sätze miteinander gewechselt, wenn man das harsche »Los, rutsch mal zur Seite, aber dalli!« mitzählt, das Edith ihr bei einem Schulausflug im Bus entgegengeschleudert hat. Nach der Grundschule hatten sie gar keinen Kontakt mehr. Aber nun wohnt Edith zwei Dörfer weiter, direkt neben dem abgebrannten Massivhauspark, und hat »einfach mal so« angerufen.
Edith wollte »nur mal hören, wie es so geht« und hat dann erzählt, dass sie jetzt Managerin bei einer internationalen Firma ist, die ein ganz neues Vertriebskonzept verfolgt. Sie redet von »Social bonding« und von »Netzwerkstrukturen, die gerade für Frauen wichtig sind«, von »Emanzipationspartizipierung« oder so ähnlich. Alles Dinge, mit denen Petra nichts anfangen konnte, die aber ordentlich Eindruck auf sie machten. Und dann sagte Edith: »Petra, du könntest Teil des Ganzen werden, mit dazu gehören. Du musst nur eine kleine Party geben, nichts
Weitere Kostenlose Bücher