Frischluftkur: Roman (German Edition)
Aufwendiges, und ich stelle ein paar neue Produkte vor.«
»Und dann?«
»Dann wird bei Kaffee und Kuchen – und gerne auch alkoholischen Getränken – ein wenig ge-network-t.«
Eigentlich genau das, worauf Petra gewartet hat. »Und was für Produkte sind das?«, fragte sie daher eher pro forma nach. Selbst wenn Edith nun von nuklearen Sprengköpfen gesprochen hätte, wäre ihr das egal gewesen.
»Die Firma heißt Fresh&Clean. Ich werde die neuesten Innovationen des Raum- und Möbelpflege-Sektors vorstellen.«
»Ach so, Putzmittel.«
»Neuartige Premium-Entwicklungen«, rügte Edith sie für die wenig euphorische Reaktion. »Du musst aufhören, klein zu denken.«
Dieser Gedanke gefiel Petra ausgesprochen gut. Genau! Sie würde diese Sache richtig groß aufziehen. Einfach perfekt.
Da Petra zum treuen Leserkreis diverser bodenständiger Hausfrauenmagazine gehört, hat sie umfangreiches, leider aber eher theoretisches Gastgeberinnen-Know-how. Vielleicht sollte sie also erst im kleinen ... nein, im überschaubaren Kreis üben? Ein Testlauf mit nicht allzu kritischen Gästen, ja, das wäre gut. Petra beobachtete daraufhin genau, wer auch ein wenig abseits steht, wer sich nicht im inneren Kreis um Monique bewegt. Dabei sind ihr Marlies, Tina und Hanna aufgefallen. Diese drei hat sie eingeladen – zur allerersten Putzparty. Oder, um ehrlich zu sein: zur Generalprobe für diese. Aber das muss sie den Damen ja nicht auf die Nase binden.
Ein passender Termin war nicht schwer zu finden, denn wie Petra sind auch Tina und Hanna Hausfrauen und daher in ihrer Zeiteinteilung sehr flexibel. Nur Marlies arbeitet als Verkäuferin in Knurres Kramerlädchen. Aber mittwochnachmittags hat sie frei.
Nun ist es so weit. Edith bereitet in der Küche die Produktpräsentation vor, während Petra im Wohnzimmer Gläser arrangiert. Sie hat extra eine Caipi-Bowle nach dem Rezept aus der neuen Meine Familie & ich angesetzt. Mit Maracujasaft, Limetten, Rohrzucker, extra viel Rum. Und natürlich Minze aus dem eigenen Garten. Da wächst zwar sonst nicht viel, Petra hat einfach keinen grünen Daumen, aber die Minze, die wuchert. »Reiß doch endlich mal das Unkraut raus«, hat ihr Mann schon mehrfach gefordert, aber sie ist der Minze dankbar, dass wenigstens die sich in ihrem Garten wohl fühlt.
***
Petra ist beeindruckt von Ediths schickem Kostüm und den hohen Pumps (die davon ablenken, dass Edith winzig ist) und etwas eingeschüchtert von ihren strengen Gesichtszügen und der adretten, mahagonifarben glänzenden Pagenkopffrisur. Petra fühlt sich neben ihr wie ein graues Mäuschen, obwohl sie mit eins zweiundsechzig immerhin drei Zentimeter größer als Edith ist und extra ihren leuchtend roten Pulli angezogen hat. Aber das scheint nicht wirklich zu helfen. Petras schlimmste Problemzone ist ihr Selbstbewusstsein, direkt gefolgt von der Selbsteinschätzung. Sie könnte noch nicht einmal ihre eigene Haarfarbe korrekt benennen. Blond ist es nicht mehr, brünett noch nicht ganz. Irgendwas dazwischen, dafür aber immerhin eindeutig kurz und praktisch.
Punkt 16.00 Uhr kommen die Gäste. Alle auf einmal. Petra weiß kaum, wohin mit den Jacken. Der Flur ist recht klein. Ausgerechnet. Der Flur ist doch die Visitenkarte eines Hauses! Und ihrer ähnelt eher einer hingekritzelten Telefonnummer auf einem abgerissenen Stück Briefumschlag. Dass sie da vorher aber auch nicht dran gedacht hat! Schnell scheucht Petra die drei Damen ins Wohnzimmer, das ist schön großzügig geschnitten.
Die Gäste schauen sich neugierig um, registrieren die silbern gerahmten Familienfotos ebenso wie die Ton-Igel-Sammlung auf der Fensterbank, auf die Petra sehr stolz ist, denn es sind auch Figuren aus Afrika und Südamerika dabei. Alle handgearbeitet.
Hanna fährt mit dem Finger unauffällig an der Oberkante der Schrankwand entlang und betrachtet leicht angewidert den Staub, der sich an ihrer Fingerkuppe gesammelt hat. Schnell steckt sie die Hand in ihre Hosentasche. Ihre ohnehin schmalen Lippen sind noch etwas schmaler geworden. Ihre ganze Erscheinung ist schmallippig. Sie sieht aus wie zwischen zwei Bügelbretter gepresst.
Tina durchschreitet den Raum auf Riemchensandalen, für die es draußen schon etwas zu kühl ist, und kontrolliert bei einem Blick in den Vitrinenspiegel ihr Make-up. Marlies beobachtet dies wie immer unauffällig aus dem Hintergrund. Einen Spiegel braucht Tina eigentlich nicht; sie hat mal wieder so dick aufgetragen, dass sie auch locker einen
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