Fröhliche Ferien am Meer
gründlich argumentierte. Dann hielt sie irgend etwas in Angelas Gesichtsausdruck zurück; eine Art Verbitterung, als sie gesagt hatte, sie sei eine Standish. Den gleichen Blick hatte sie in letzter Zeit oft bemerkt. Was war mit Angela geschehen? Sie wechselte schnell das Thema.
»Sechs Wochen oder zwei Monate. Herrlich für dich, denn ihr habt ja so lange Ferien an der Uni.«
»Ich gehe nicht zurück zur Uni.«
»Du gehst nicht zurück? Aber ich dachte, du würdest bald dein Examen machen oder so. Und es macht dir doch so viel Spaß. Ich habe geglaubt, du würdest dich unheimlich darauf freuen.«
Ihre Schwester antwortete ihr mit bewußt ruhiger Stimme: »Ich nehme an, daß ich meine Meinung ändern darf? Du tust das ungefähr zweimal in der Woche. Ich habe die Büffelei satt, ich habe die Universität satt, und ich habe mich genug amüsiert. Jetzt werde ich irgendeine Arbeit annehmen.«
»Aber warum? Das ist doch nicht notwendig. Vater wollte, daß du dein Examen machst. Er hat etwas von einem Aufschwung in der Wollindustrie erzählt und meint, es sei völlig in Ordnung, wenn ich noch warte und in Ruhe über meine Zukunft nachdenke.«
»Und hast du gut darüber nachgedacht?« fragte Angela hinterlistig.
Das war ein ziemlich raffiniertes Ablenkungsmanöver, und es tat seine Wirkung.
3
Eine Woche später nahmen die beiden Schwestern ihre Plätze im Nachtexpreß ein. »Jetzt fängt das richtige Leben für mich an«, verkündete Freddie zum allgemeinen Interesse des ganzen Abteils; dann setzte sie sich mit einem Seufzer tiefster Befriedigung zurecht. Angela schien diese Reise das Ende vieler Dinge in ihrem eigenen Leben zu sein. Das Ende der Universität, das Ende der »klugen Gedanken«, der Parties, der endlosen und anregenden Gespräche. Das Ende von Wyngate Millar. Tränen traten ihr in die Augen. Das erschreckte sie. Sie war keine viktorianische Jungfrau, von Kummer erfüllt und mit gebrochenem Herzen.
»Schön, die Familie wiederzusehen«, sagte sie tapfer, obwohl sie jetzt das Gefühl hatte, daß die Familie langweilig sein würde. »Ich bin gespannt, was aus Shelagh geworden ist. Es ist Ewigkeiten her, seit ich sie zum letztenmal gesehen habe.«
»Sie ist nicht der Typ, der sich sehr verändert«, bemerkte Freddie scharfsinnig. »In sich abgeschlossen, wie deine Wohnung. Bill ist genauso. Ich war fünfzehn, als ich ihn zuletzt getroffen habe, und ich hatte nie den Wunsch, ihn wiederzusehen. Ich war schrecklich dick, und er sah mich von oben bis unten an — natürlich auch von links nach rechts, das waren schon ganz schöne Ausmaße! — , dann sagte er: >Wie wäre es mit einer Hungerkur?< Ich verabscheute ihn.«
Sie hatte eine hübsche Stimme, aber unglücklicherweise trug sie sehr weit. Ein junger Mann, der auf der anderen Seite des Ganges saß, schaute auf, lachte und sagte freundlich: »Bill muß ein Idiot sein.«
Das genügte. Freddie wandte ihm ihr strahlendes Lächeln zu und sagte: »Eigentlich nicht. Er ist eben ein Bruder«, was bei Angela ein belustigtes Unbehagen auslöste.
»Solche Brüder sollten gesetzlich verboten werden. Ist Ihr Platz gut? Man kann ihn hochklappen, wissen Sie.« Und der junge Mann stand auf, um diese Tatsache zu demonstrieren.
Freddie sprang von ihrem Sitz hoch und verstreute ihre ganzen Habseligkeiten in der Gegend. Sie bückte sich, um sie aufzuheben und stieß dabei mit dem Kopf ihres hilfreichen Nachbarn zusammen. Angela seufzte und nahm ihr Buch zur Hand. Dieses Stadium mußte Freddie natürlich durchmachen. Sie hatte zu viele Jahre in der Schule verbracht. Angela vermutete, daß die Direktorin freundlich, aber bestimmt ihre Hand über das jüngste Mitglied des Lehrkörpers gehalten hatte. Sie war eine kluge Frau und wußte alles über Vater und Mutter. Jetzt war Freddie die Freiheit zu Kopf gestiegen; sie war noch zu jung dafür. Mutter war genauso gewesen. Eigentlich war sie nie erwachsen geworden, aber dann hatte sie geheiratet, als sie nicht älter gewesen war als Freddie.
Die Unterhaltung wurde lebhaft fortgesetzt. Auf dem ersten Bahnhof, wo es Erfrischungen gab, sagte der junge Mann: »Eine Tasse Kaffee, was halten Sie davon? Was immer Bill auch dazu meinen würde, jetzt können Sie jedenfalls eine Stärkung vertragen. Wie ist es mit Ihrer Schwester?«
»Nein danke. Wir hatten vor unserer Abreise ein sehr gutes Mittagessen.«
Angela wußte, daß sie wie eine alte Tante sprach und wahrscheinlich auch so aussah. »Ich hätte liebend gerne eine
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