Fröhliche Ferien am Meer
hätte liebend gerne
eine Tasse Kaffee«, sagte Freddie und sprang auf, ohne das Halten des Zuges
abzuwarten. Das Endergebnis war, daß sie Angela ihr Buch aus der Hand schlug,
über ihren Mantel stolperte und einen verdrießlichen alten Mann, der hinter ihr
saß, fast umbrachte. »O du lieber Himmel! Das tut mir ja so leid. Der Zug
schaukelt so. Lassen Sie mich Ihnen helfen«, rief sie reumütig.
Der beleidigte Reisende lehnte
das Angebot ab und murmelte etwas über verrückte Teenager, worauf ein Kommentar
über die junge Generation folgte. Freddie zwängte sich, zumindest im Augenblick
sehr niedergeschlagen, aus dem Abteil. Aber der Anblick des überfüllten
Bahnsteigs, auf dem eine entschlossene Menschenmenge um Tassen lauwarmen Tees
kämpfte, heiterte sie auf, und Angela sah sie noch einmal kurz, als sie
strahlende Blicke um sich warf und sich schließlich siegreich ihren Weg durch
die Menge bahnte.
»Und jetzt werden sie
wahrscheinlich zurückkommen und uns von oben bis unten mit Tee bekleckern«,
murmelte der alte Mann, wobei er ärgerlich mit seiner Zeitung raschelte.
Aber sie kamen nicht zurück.
Das Signal ertönte, der Vorsteher rief eine letzte Warnung aus, und langsam
setzte sich der Zug in Bewegung. Angela merkte, wie sie unruhig wurde. Das
würde Freddie ähnlich sehen, auf einem Bahnsteig hilflos unterzugehen, ohne
Geld und ohne ihre Schwester, jedoch in Gesellschaft eines ziemlich
gewöhnlichen, aufdringlichen jungen Mannes.
Na ja, da war nichts zu machen.
Sie war nicht der Hüter ihrer Schwester. Der reine Zufall hatte sie für einige
Zeit zusammengebracht. Nur weil ihre Wohnung und Freddies Schule eben in
derselben Stadt lagen, machte man sie für ihre Schwester verantwortlich. Max
würde das als erster auch sagen. Kein Mitglied der Familie Standish hatte sich
je um Familienbindungen gekümmert. Wenn man es genau nahm, existierten
überhaupt keine.
Angela wandte sich wieder ihrem
Buch zu, und als sie dieselbe Seite dreimal gelesen hatte, ohne irgend etwas
davon zu begreifen, sprang die Abteiltür auf, und Freddie schoß, gefolgt von ihrem
Nachbarn, herein.
»Es war phantastisch«, rief sie
und sank atemlos auf ihren Sitz. »Wir haben es gerade noch geschafft. Wir
rannten über den Bahnsteig und sprangen in den Wagen des Vorstehers. Er war nicht
allzu begeistert, aber was hätten wir tun sollen?«
»Auf das Signal hören und
rechtzeitig einsteigen«, sagte Angela, die durch die plötzliche Erleichterung
noch ärgerlicher wurde. »Natürlich dachte ich, ihr hättet ihn verpaßt. Wo um
Himmels willen seid ihr gewesen?«
»In einem Raucherabteil, wo wir
uns etwas ausgeruht und einigen Männern beim Pokern zugesehen haben. Sie
sagten, sie wollten es mir beibringen, aber ich dachte, du machst dir
vielleicht Sorgen. Hast du doch nicht getan, oder? Du solltest doch wissen, daß
ich nie etwas versäume.«
Das, dachte Angela, schien
unglücklicherweise der Fall zu sein. Wahrscheinlich dachte der Rest des Abteils
ebenso.
Die Nacht schritt fort, und
ebenso Freddies Geschnatter und Gelächter, bis schließlich der alte Herr bitter
fragte, ob es irgendeinen Grund gäbe, das Licht nicht auszuschalten und die
Leute schlafen zu lassen. Immer darauf bedacht, freundlich zu sein, stimmte
Freddie ihm sofort zu und bemerkte wohlmeinend, daß man als alter Mensch, ob im
Zug oder nicht im Zug, einfach seine acht Stunden Schlaf haben müsse.
Sie selbst schlief sofort ein,
während Angela neben ihr saß, ruhelos und erschöpft, und gegen ihren Willen
über das letzte Jahr nachdachte. Es waren unglückliche Gedanken, und sie wurde
unruhig und gereizt. Jetzt kam von der anderen Seite des Ganges ein suchender
Fuß und schmiegte sich sanft an den ihren.
Angela war entrüstet. Freddie
war zu hübsch, um billige junge Männer im Zug aufzulesen. Der Fuß drückte sich
erneut gegen den ihren, und in einem von Angelas plötzlichen Wutausbrüchen, die
ihren Vater immer belustigt hatten, stampfte sie kräftig und genau gezielt
darauf. Ein Fluch wurde gemurmelt, und eine beginnende Romanze verwandelte sich
augenblicklich in Haß.
Sie verließen den Zug in der
geisterhaften Stunde kurz vor der Dämmerung. Angela mußte Freddie zweimal
wecken.
Schließlich fuhr sie plötzlich
hoch, als der Zug sein Tempo allmählich verlangsamte, stopfte ihre diversen
Habseligkeiten in ihren Mantel, klemmte ihn unter den Arm, warf einer regungslosen
und nicht reagierenden Gestalt auf der anderen Seite des Ganges einen flehenden
Blick zu und
Weitere Kostenlose Bücher