Fröhliche Ferien am Meer
irgendeinem Dichter. Shelley, oder war es Byron? Ganz
dunkel und gefühlvoll.«
»Oh, um Himmels willen«,
protestierte Bill, aber sie sprach unbefangen weiter.
»Komischer Zufall, wenn es
Byron war, denn er hinkte auch.«
»Unheimlich komisch. Er hatte
einen Klumpfuß.«
Sie sah entsetzt aus, und er
erinnerte sich daran, was Angela über ihr warmes Herz gesagt hatte.
Unglücklicherweise begann sie erneut. »Die anderen haben sich am Strand
verabredet. Sollen wir nicht ein bißchen zu ihnen gehen?«
Er schüttelte den Kopf. »Die
verdammten Ärzte sagten, ich müßte schwimmen.«
In ihren Augen glühte tiefes
Mitgefühl. »Genau wie Roosevelt«, sagte sie.
»Ganz genau. Roosevelt war sein
Leben lang ein Krüppel und konnte nie mehr ohne Hilfe gehen.« Als er dann ihr
niedergeschlagenes Gesicht sah, lachte er und spritzte sie plötzlich wie ein
Schuljunge an. »Wir machen ein Wettschwimmen bis zum Strand«, sagte er.
Der Kampf endete unentschieden,
aber er hatte die unangenehme Ahnung, daß sie ihn hätte schlagen können, wäre
die Angst nicht gewesen, seine Gefühle erneut zu verletzen.
Er wollte sich nicht lange
ausruhen, und als er ins Wasser zurückwatete, ging Shelagh mit ihm. Sie war
eine langsame Schwimmerin, und er paßte sein Tempo dem ihren an. Plötzlich
sagte sie: »Übertreib es nicht. Du hast zwei Monate Zeit, weißt du.«
Er wußte es. Acht Wochen
faulenzen. Sein Gesicht wurde traurig. Diese Wochen würden ihm in der Firma
schaden. Andere Männer würden einige seiner Aufgaben übernehmen und sie
wahrscheinlich behalten. Man würde herausfinden, daß er letztlich doch nicht
unersetzlich war.
»Das ist doch ein gräßlicher
Blödsinn, findest du nicht?« sagte er und war erstaunt zu sehen, wie sich sein
eigenes Unglück in ihrem Gesicht widerspiegelte.
Er fragte sich nicht zum erstenmal,
warum sie hier war, ohne ihren Mann, den sie anbetete. Ein ungutes Gefühl
überkam ihn. Von der ganzen Familie war sie die einzige, an der ihm wirklich
etwas lag. In ihrer Kindheit waren sie enge Freunde gewesen. Sie hatten in
dieser Atmosphäre zusammengehalten, die sie instinktiv als ungesund empfanden.
Später war er auf ihr hübsches Aussehen und auf ihre ungewöhnliche Würde stolz
gewesen, war begeistert von der Wirkung, die sie auf die Freunde hatte, die er
nach Hause brachte. Die Nachricht von ihrer Verlobung mit Robert war ein Schlag
für ihn gewesen. Was sah sie in diesem Jungen? Er war weder so interessant noch
so attraktiv wie viele seiner Freunde, die er ihr selbst vorgestellt hatte.
Auf der Hochzeit war er ein
sehr gut aussehender Zeremonienmeister gewesen, hatte seine Eifersucht
verborgen und sich selbst mit zuviel Champagner getröstet. Als er am nächsten
Morgen ganz früh von einer Party zurückkam, wo er noch weiter Trost gesucht
hatte, überschlug er sich mit seinem kleinen Wagen, den sein Vater ihm
geschenkt hatte. Als er tags darauf mit einem schrecklichen Kater, einem wunden
Herzen und der Erwartung, Schwierigkeiten mit der Versicherungsgesellschaft zu
bekommen, wach wurde, schwor er, sich nie wieder zu sehr zu engagieren oder zu
viel zu trinken. Beiden Vorsätzen war er treu geblieben.
Trotzdem war es schön, wieder
mit Shelagh zusammen zu sein. Sie wirkte beruhigend, und bei ihr hatte er nicht
das unangenehme Gefühl einer Verpflichtung, das ihn bei den anderen Schwestern
bedrückte. Eine Verpflichtung? Das war barer Unsinn. Das Band der
Verwandtschaft bedeutete nichts; in Wirklichkeit war es eher ein Ärgernis als
eine Verbindung.
Schließlich ließ er sich müde
neben Angela in den Sand fallen. Sie war offensichtlich halb eingedöst und
blinzelte unter schweren Lidern die blauen Hügel in der Ferne an, die die Bucht
auf drei Seiten einschlossen. Sie sagte träge: »Du hast sehr viel Kraft.«
»Ja, Schwimmen ist das
Geheimnis. Ich muß tun, was ich kann, um wieder fit zu sein, wenn ich gebraucht
werde.«
»Wie zielbewußt das klingt! Du
läßt dich nicht treiben wie ich.«
Er sah sie neugierig an, aber
sie hatte ihre Augen geschlossen und äußerte sich nicht weiter. Es war ein
sonderbar attraktives Gesicht, obwohl es seine Ausdruckskraft verlor, wenn die
tiefliegenden, leuchtenden Augen geschlossen waren. Von dieser Schwester wußte
er nur wenig. Da er vier Jahre älter war als sie, hatte er sie natürlich
verachtet, als sie noch ein häßliches Kind gewesen war. Zwar war sie damals
erfreulich dünn im Vergleich zu Freddie, sie wirkte jedoch farblos neben ihrer
älteren
Weitere Kostenlose Bücher