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Fröhliche Wiederkehr

Fröhliche Wiederkehr

Titel: Fröhliche Wiederkehr Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Horst Biernath
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sicherlich ein wohlerzogener junger Mann war, in dieser für ihn doch recht peinlichen Situation getan? Hat er sich höflich vorgestellt? Atem- und sprachlos wie er war? — Mein Vater behauptete immer, er hätte nur seinen Stiefel vorgestreckt, und an seiner Schuhnummer — 52! — hätte Großmutter sofort erkannt, mit wem sie es zu tun hatte. Aber das ist eine Hypothese, und nicht einmal eine besonders gute. Was hätte ich an seiner Stelle getan? Ich weiß es wirklich nicht. Und wie die Geschichte überhaupt herausgekommen ist, das weiß bis zum heutigen Tage kein Mensch. Großmutter selber hätte sich eher die Zunge abgebissen, als daß sie selbst ihrer intimsten Freundin gegenüber auch nur eine Andeutung gemacht hätte. Und daß Großvater etwa unter dem Einfluß einer Flasche Rum geplaudert hätte, ist ebenso undenkbar. Erstens einmal vertrug er bedeutend mehr als eine lumpige Flasche, und zweitens wurde er um so schweigsamer und in sich gekehrter, je mehr er einnahm. Es liegt wohl im Wesen solcher Geschichten, daß sie von einem Vöglein im Kamin ausgeplaudert werden.
    Aber sei es, wie es wolle, Tatsache bleibt, daß die beiden vier Monate nach der Kallweitschen Hochzeit heirateten, ohne lange Verlobungs- und Brautzeit, daß meine Mutter ein Jahr nach der Hochzeit zur Welt kam, und daß ihrer langen und glücklichen Ehe ein Dutzend Kinder entsprossen. Zweimal waren es Zwillinge und einmal sogar Drillinge. Und Großvater sagte jedesmal, wenn er im Nebenzimmer hinter dem Grogglas bangend auf die Nachrichten der Hebamme wartete: »Erbarmen Sie sich, Frau Schiborr, und machen Sie es nicht so spannend! Wie viele sind es denn diesmal?«
    Ich habe die beiden alten Leute noch gut gekannt und innig geliebt und habe vor dem Ersten Weltkrieg fast alle Sommerferien bei ihnen verbracht. Und ich habe mich als Junge fürchterlich für sie geschämt, weil sie — in meinen Augen uralte Leute — noch immer zärtlich wie die Turteltauben zueinander waren. Sie nannte ihn Bärchen, und er sagte Krümelchen zu ihr, in aller Öffentlichkeit und vor allen Leuten. Aber bei aller Liebe füreinander sind sie, was sie gewiß immer gern getan hätten, nur ein einziges Mal im Leben Arm in Arm gegangen, als er sie durch die Kirche zum Altar führte — und das muß ziemlich komisch ausgesehen haben, als ob er über der Hüfte im rechten Winkel abgeknickt worden sei.
    Erst sehr viel später erfuhr ich, weshalb Großmutter ihren Heinrich in so jungen Jahren nahm, denn direkt ehezwingend kann man ja ihre erste Begegnung nicht nennen. Als Supernumerar war er weiß Gott alles andere als eine gute Partie oder jemand, von dessen Zukunft sie Großes hätte erwarten können. Als sie zwölf Jahre alt war, verlor sie ihre Mutter. In den Kirchenbüchern stand, daß sie an >innerer Hitze< gestorben sei. Den Symptomen nach zu urteilen wird es ein durchgebrochener Blinddarm gewesen sein, der ihr in jungen Jahren den Tod brachte. Mein Urgroßvater, eben jener mit dem Ratten-Abenteuer, nahm sich, schon seiner sechs unmündigen Kinder wegen, eine Haushälterin, die ein ziemlich strenges Regiment führte und den Kindern wenig Liebe entgegenbrachte. Eines Tages nun kam der Urgroßvater von der Entenjagd total durchnäßt nach Hause, bekam am nächsten Tag hohes Fieber mit allen Anzeichen einer heftigen Lungenentzündung, die der herbeigerufene Arzt als >galoppierende Schwindsucht< diagnostizierte. Er lag also auf dem Sterbebett, und in dieser Situation muß es der geborenen Kissuth gelungen sein, ihn zu einer Not- und Schnell-Trauung zu überreden, damit sie nicht gänzlich unversorgt zurückbliebe. Ob er es nun ihrer Pflege oder seiner kernigen Natur zu verdanken hatte, drei Wochen nach der Trauung erhob er sich von seinem Sterbelager und überlebte die zweite Frau noch um zehn Jahre. Ich besitze ein Foto von ihnen, das bald nach seiner Gesundung aufgenommen worden ist. Er sitzt auf einem Rohrsessel, stützt sich auf einen Stock mit einer langen Hornkrücke und sieht noch ziemlich spitz aus. Von der unbändigen Kraft seiner früheren Jahre ist nicht viel zu spüren. Die geborene Kissuth steht neben ihm, eine grobknochige, hochgewachsene Frau mit scharfen Gesichtszügen. Sie trägt ein Kapotthütchen und ein schwarzes, weitgebauschtes Atlaskleid und als Zeichen ihrer neuen Macht und Würde einen großen Schlüsselbund am Gürtel. Man kann es verstehen, daß Großmutter ihren Heinrich dem Zusammenleben mit dieser kalten und herrschsüchtigen Frau vorzog —

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