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Fröhliche Zeiten

Fröhliche Zeiten

Titel: Fröhliche Zeiten Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Oliver Hassencamp
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hatten mit Rudolf Schünd-ler, Ursula Herking wie auch mit Cheftexter Erich Kästner schon in Berlin zusammengearbeitet.
    Diese Art zu leben gefiel mir. Völlig unvoraussehbar immer wieder zu einer Arbeit zusammenzukommen, nach Jahren getrennter Tätigkeit den Kontakt neu aufzunehmen, loser oder enger, je nach Rolle und Umständen dort weiterzumachen, wo man aufgehört hatte, sei es nach einem Skandal, einem Triumph oder einem Riesenkrach persönlicher Art, selbstverständlich mit einem Schulterklopfen:
    »Weißt du noch... ?«
    In dieser ungesicherten, dabei hermetischen Welt wurlte das sogenannte Menschliche südländisch. Das war Leben. Gerade im gelegentlichen Parallellauf mit längeren oder kürzeren Trennungen dazwischen erkennt man einander besser, sieht Entwicklungen deutlicher, das Auf und Ab der Karrieren und weiß, man gehört zusammen. Ist doch jeder, auch bei sparsamer Sympathie, ein zauberhafter Kollege, wie die Schauspieler sagen. Inzwischen darf ich mitreden. Zwölf Jahre später, unter völlig veränderten Umständen, konnten Ursula Herking, Karl Schönböck, Erich Kästner und ich einander zunicken: »Wißt ihr noch... ?«
    Es war wie ein Familientag. Man hatte sich wieder, hing am gleichen Erbe, war unter sich. Dieses Gefühl gab so etwas wie bürgerlichen Halt im unbürgerlichen Beruf, in dem man eine Unzahl, ich möchte sagen, unpersönlicher Freunde hat, von denen jeder im Notfall ein echter werden kann, ohne alle Erwartung. Wer versagt, bleibt trotzdem zauberhafter Kollege, mit dem es vielleicht beim nächsten Mal klappt und den man nach Besuch einer Vorstellung in der Garderobe umarmt, um ihm zuzuflüstern: »Du warst der Beste! Aber sag’s den andern nicht .«
    Und schon geht man zum nächsten. Mit demselben Text.
    Die Schaubude ist allen Beteiligten unvergessen. Dafür sorgte ein psychologisch gewichtiger Faktor — die Not. Widrigste Umstände zwangen, alles Unnötige wegzulassen und nur das Wesentliche herauszuarbeiten, wie in einer guten Inszenierung. Für Allüren, persönliche Animositäten oder Intrigen war kein Platz. Jeder fühlte sich mitverantwortlich für das Ensemble und diente ihm mit allem, was er besaß.
    Auch ein Amerikaner gehörte dazu, ein blonder Hüne aus Texas. Peter, wie er mit Vornamen hieß, trat nicht auf. Er hatte keinen Vertrag für irgendeine Tätigkeit hinter der Bühne, wohl aber einen Eid abgelegt: als Offizier bei der amerikanischen Besatzungsmacht. Trotzdem fühlte er sich dem Theater fest verpflichtet. Sein Engagement hieß Ursula Herking.
    Die Primadonna des deutschen Nachkriegskabaretts war alles andere als eine Primadonna. Überströmend warmherzig, hilfsbereit, bescheiden und sehr ausschließlich. Was sie tat, das tat sie mit Vollgas. So fuhr sie auch Peters Jeep. Ungeachtet der Militärnummer flitzte sie damit durch die Stadt, besorgte und erledigte alles, was für das Theater nötig und dringend war. Galt es etwas schwarz zu organisieren, lieferte ihr Peter den Rohstoff, die Tauschartikel. Meist Zigaretten und Whisky. Sie wohnte bei ihm, kannte seine Möglichkeiten und schöpfte sie aus. Nicht für sich selbst.
    Peter hielt wacker mit, ein humoriger Bär, der nebenbei gern häkelte. Ihm war es ernst. Er wollte Ursula heiraten. Bedingung: Sie sollte ihre Karriere aufgeben und ihm nach Texas folgen. Schon mehrfach war seine Mutter angereist — jedesmal mit unbeschreiblichen Blumenhütchen — um von der schillernden Braut ein Bild zu gewinnen, das in ihre Welt paßte.
    Da sie stets unangemeldet kam, mußte Ursula Hals über Kopf die Wohnung räumen und bei Freunden unterschlupfen, die ohne sie schon eng genug hausten. Für ihr hundertprozentiges Temperament eine unzumutbare Heuchelei. Darüber kam es schließlich zum Bruch. Nach einem bühnenreifen Sie-oder-ich-Streit verließ Ursula die Wohnung mit der bekannten Pointe:
    Es ist aus!
    Tage später klingelte es an der Tür ihres Unterschlupfs. Sie war allein in der Wohnung und öffnete. Draußen stand ihr Hüne, keuchend, mit wildem Blick, Gesicht und Hände blutverschmiert. Seine Tippen zitterten:
    »I killed my mother !«
    Der Anblick überzeugte.
    Gräßlich, zu Krallen gekrümmt diese Hände, die so hübsch häkeln konnten!
    Was jetzt?
    Das hatte Ursel mit ihrer Trennung nicht gewollt. Aber einen Mörder wollte sie auch nicht. Im Clinch der Blicke standen beide einander gegenüber.
    Peter unterlag schließlich. In seinen Augenwinkeln braute sich ein Grinsen zusammen, dann brach es aus ihm heraus.

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