Frösche, die quaken, töten nicht: Roman (German Edition)
kurzer Entfernung ihr Frühstück, sie kaute mit festem Biss
genüsslich auf einer Maus herum, deren langer nackter Schwanz schlapp aus dem weiß
bezahnten Maul hing.
Frank nahm
Monika Salmann sachte, aber bestimmt am Arm und zog sie auf die Füße. Sie lächelte
weiter, schaute ihn mit ihrem geübten Augenaufschlag devot von unten herauf an und
sagte leise mit sanfter Stimme und einem abwesenden Lächeln: »Ich bin die Froschkönigin,
küss mich!«
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Frank übergab den willenlosen Körper
an zwei Kollegen, die Monika Salmann hinausbrachten, sie vorsichtig in den Polizeiwagen
setzten und abfuhren. Liv ging hinterher und schoss schnell noch ein paar Fotos
von ihr. In Gedanken sah sie in der Zeitung schon den schwarzen Balken vor ihren
Augen. Gemeinsam mit Frank starrte sie ihr nach, dann schauten sie sich an.
»Das war’s«,
sagte er. »Ging ja doch schneller als befürchtet. Wann erscheint dein Artikel?«
»Morgen.«
»Das bedeutet
nun noch eine Menge Arbeit für dich?«
»Ist schon
alles so gut wie fertig. Ich hatte mehrere Fall-Varianten bereits geschrieben. Die
Salmann-Version war mein Favorit. Ich muss nur noch Kleinigkeiten abändern und den
eindrucksvollen Abgang einfügen.«
»Du wusstest
es?«
»Ich habe
auch eine schöne Version von den Geschwistern und der Fitnesstrainerin. Die Mitarbeiter-Version
hatte noch große Lücken. Ich ahnte es, die Version Monika Salmann kam meiner Wahrheit
am nächsten.«
»Es gibt
nur eine Wahrheit«, meinte Frank.
»Ist das
so?«, stellte Liv infrage.
Nach Philosophieren
war ihm nicht zumute.
»Sag, Liv,
wie komme ich denn weg in deinem Artikel? Darf ich ihn mal lesen?«
»Klar darfst
du das, Frank, kauf dir morgen die Wochenendausgabe der Zeitung.«
Frank lächelte
schief, schaute Liv an, kam näher, nahm ihre beiden Hände mit seinen Fingerspitzen
in seine, zog sie etwas heran und gab ihr einen hauchzarten Kuss. Er dauerte eine
kurze Weile. Intensiv spürte Liv seine weichen Lippen auf ihren. Sie rang nach Luft.
»Leb wohl«,
rang er sich ab, ließ Liv los und ging zuerst langsam, dann schnelleren Schrittes
aus dem Foyer zum wartenden Auto. Livs feuchte Augen ließen den Blick verschwimmen,
den sie ihm hinterherwarf.
»Alles klar«,
flüsterte Liv, »bis demnächst. Vielleicht sehen wir uns im Juli auf der Oberkassler
Kirmes?« ›Blödsinn‹, dachte sie, atmete tief durch, wischte sich kurz die Augen
trocken und machte eine Kehrtwende Richtung Hotelfoyer. Sie würde nicht auf die
Kirmes gehen, das wusste sie.
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»War es das?«, fragte die Liv lieb
gewordene Stimme von Karl von Schenck. »Ich beobachte Sie bereits eine Weile, wollte
aber nicht stören. Sie und der Kommissar waren so bei der Arbeit.« Er hielt Liv,
mitleidig grinsend, ein weißes Stofftaschentuch mit eingesticktem bunten Wappen
hin: »Sie haben da eine kleine Träne auf Ihrer Wange.«
Er sah sie
an und in sie hinein.
»Aber nun
haben Sie es geschafft. Sie haben den Fall aufgeklärt und werden einen virtuosen
Artikel verfassen, für den Sie Lob und Erfolg ernten werden. Da bin ich mir sicher.«
»Ich schicke
ihn samt der Fotos gleich von hier aus ab, muss nur noch Kleinigkeiten ändern. Wollen
Sie ihn vorher vielleicht lesen?«, fragte Liv von Schenck.
Er lachte:
»Das meinen Sie nicht wirklich ernst. Kein Journalist lässt sich gern vor dem Druck
in seinen Text schauen, aber ich danke für das Angebot. Nein, ich vertraue Ihnen
voll und ganz.«
›Weiß dieser
Mensch eigentlich, wie gut er anderen tut?‹
Liv ging
auf ihn zu, stellte sich auf ihre Zehenspitzen, umarmte ihn herzlich und flüsterte
ihm »Danke!« ins Ohr.
»Es war
mir ein großes Vergnügen«, sagte Karl von Schenck und hielt ihr seine Visitenkarte
entgegen. »Falls Sie mal wieder einen Dr. Watson brauchen. Ich bin demnächst sicher
regelmäßig im schönen Düsseldorf.«
An der Rezeption
im Hintergrund sah Liv die Frau im weißen Jogginganzug ihr zuwinken.
»Sie war
einmal die Geliebte vom Senior-Chef«, erklärte Karl von Schenck, als auch er ihr
zurück winkte. »Sie war vor zig Jahren eine Nebenbuhlerin der Mutter der Overbeck-Geschwister
und wurde später eiskalt abserviert. Den Grund hat sie nie erfahren oder nie verwunden.
Die Gespenster von damals wirkten bei ihr bis heute nach. Aber vielleicht ist es
jetzt vorbei? Sie hat sich den Dämonen unerkannt jedes Jahr in diesem Hause neu
gestellt – und sie dadurch hoffentlich bezwungen. Sie war es auch, die Ihre Zeitung
sofort beim Tod des Seniors
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