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Frohes Fest!

Frohes Fest!

Titel: Frohes Fest! Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Wolfgang Jeschke (Hrsg)
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Dienststunden eines Polizisten so ›flexibel‹ waren, wie man heute sagt – und so nickte ich.
    »Gut! Sie sind zum Zivildienst abgeordnet, weil der CID unterbesetzt ist. Übrigens, tragen Sie Ihre Dienststiefel nicht!«
    Ich muß dagestanden haben wie eine Wachsfigur, denn ein paar Sekunden später grollte er: »Worauf warten Sie noch, Mann?«
    »Sie haben mir nicht gesagt, wohin ich soll und was dort tun!« protestierte ich.
    »CID habe ich gesagt! Bewegen Sie sich!«
    Auf diese Art kam ich zu meinem ersten Einsatz als Detektiv … Die Leute vom CID hatten etwas mehr Geduld und erklärten mir genau, was denn nun los war. Es schien, daß seit dem Beginn des Weihnachtsgeschäfts zwei oder drei der größten Geschäfte im West End mit Anrufen von Kunden vom Land überschwemmt wurden, die sich beklagten, daß die bestellten Waren, die sie oder Freunde und Verwandte per Post erhalten sollten, nicht angekommen waren. Die Post hat ihre eigenen Untersuchungsbeamten und die hatten nur Nieten gezogen. Aber, damals wie heute, mußten sie über Weihnachten eine Menge Aushilfskräfte einstellen – es gab während der Depressionszeit natürlich genügend Freiwillige – und sie waren ganz sicher, daß einer der Leute in der großen Sortieranlage in … Hmm! Es würde euch jungen Leuten nichts sagen, wenn ich den Ort nannte, denn sie hat im Krieg eine Bombe abbekommen und jetzt steht ein Bürohaus an der Stelle. Aber dort wurden alle Pakete aus dem West End hinaus abgefertigt.
    Jedenfalls waren sie überzeugt, daß einer der Arbeiter dort einen Trick herausgefunden hatte, wie man Pakete klaut und dafür sorgt, daß sie als verloren gelten. Und damit meine ich nicht irgendwelche alten Pakete. Ich spreche nicht von Omas handgestrickten Hüttenschuhen für den kleinen Willie, also der Art von Sachen, die Sie oder ich zu Weihnachten schicken würden. Ich spreche von verdammt großen Humpen voll mit Kaviar und Whiskey und Dosenpfirsichen. Sie zögerten zuzugeben, wie viele es schon gewesen waren, aber als wir sie verhörten, gaben die Postler zu, daß der Schaden schon die tausend Pfund überschritt und ständig anwuchs. Und damals war das verdammt viel Geld!
    So mußte ich vorgeben, nur ein ganz gewöhnlicher Sortierer zu sein, den man auf einen Posten in der Verwaltung vorbereitete, so daß ich von einem Tisch zum anderen geschickt werden konnte, ohne Verdacht zu erregen. »Keine Chance!« dachte ich mir … aber ich sah einen Vorteil bei diesem Auftrag. Ich konnte einiges über den Beruf des Sortierers lernen und falls ich einmal bei der Polizei gefeuert werden sollte – das drohte mir jedenfalls mein Chef ständig an –, hätte ich einige Qualifikationen für eine andere Beamtenstellung erworben.
    Am nächsten Morgen erschien ich also, und man schickte mich an die Arbeit. Waren Sie schon jemals in einer Sortieranlage …? Einige von Ihnen waren schon dort? Wenn Not am Mann ist, hilft man schon mal während der Stoßzeiten dort aus, ja? Darauf hätte ich auch gewettet! Dann muß ich nicht lange erklären, an welch schaurigem Ort ich mich befand: ein eigenartiges Gefühl extrem schneller Arbeit kombiniert mit beinahe vollständiger Stille, außer, wenn die Lieferwagen kamen oder abfuhren und die nächste Ladung die Rutsche herunterplumpste.
    Natürlich läuft jetzt dabei immer das Radio nebenher, aber zu der Zeit gab es das nicht.
    Wie auch immer! Wie sie sich gedacht hatten, mich unverdächtig einzuschleusen, weiß ich nicht, denn der Chef-Sortierer regte sich so über die teuren Verluste auf, daß er darauf bestand, mich eine halbe Stunde lang in seinem Büro festzunageln, obwohl meine Schicht begonnen hatte, und dann brachte er mich auch noch höchstpersönlich an den Tisch, für den man mich eingeteilt hatte und stellte mich den anderen Arbeitern dort vor – natürlich unter falschem Namen. Es war ganz offensichtlich einer der Tische, an dem die Pakete von diesen großen Geschäften vorsortiert wurden.
    Und, ja, ich glaube, daß ich genau diesem Moment meinen späteren Erfolg bei der Polizei verdanke. Denn sehen Sie, als er mich den anderen Sortierern vorstellte, erkannte ich einen von ihnen.
    Ich ließ es mir nicht anmerken, denn zuerst erinnerte ich mich nicht daran, wer er war oder wo ich ihn getroffen haben konnte. Ich hasse bis heute dieses Gefühl, auf Leute zu stoßen, deren Gesichter ich erkenne, auf deren Namen ich aber nicht kommen kann. Deshalb habe ich mir auch den Ruf erworben, mir das Aussehen all der

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