Fromme Wünsche
Trümmerhaufen zu mir. „Alle ganz?“
„Bei einem ist ein Stück herausgebrochen. Aber
vielleicht kann ich's kleben lassen.“ Außer Gabriellas Brillantohrringen und
einer Halskette besaß ich keine weiteren Wertsachen. Ich steckte die
Schmuckstücke in die Tasche, verpackte die Gläser und legte sie in den Koffer,
dazu meine Smith & Wesson samt Schulterhalfter.
Eben war ich dabei, die Koffer zu dem Loch in der
Wohn zimmerwand
zu schleppen, da klingelte das Telefon. Entgeistert sahen wir uns an. Wer
rechnet schon damit, daß das Ding nach einer Feuersbrunst noch funktioniert?
Unter herabgefallenem Verputz entdeckte ich schließlich den Wohnzimmerapparat. „Ja?“
„Miss
Warshawski?“ Mein Freund mit der
unpersönlichen Stimme. „Sie hatten noch mal Glück. Aber das Glück ist launisch...“
17 Der
geschlagene Ritter
Zum Hancock-Gebäude fuhren wir in meinem Wagen. Ich
ließ Roger mit dem Gepäck aussteigen und suchte nach einem Parkplatz. Als ich
mich zu seinem Apartment schleppte, wurde mir klar, daß ich mich erst einmal
ausschlafen mußte, bevor ich weitere Schritte unternehmen konnte. Pasquale,
Rosa, Albert und Ajax wirbelten mir durch den Kopf, aber ich konnte keinen
klaren Gedanken fassen.
Roger machte mir auf und gab mir die
Wohnungsschlüssel. Er hatte inzwischen geduscht. Sein Gesicht war grau vor Müdigkeit,
doch er mußte ins Büro. Wegen der Übernahmegerüchte trat die Firmenleitung
täglich zusammen.
Er hielt mich einige Zeit fest umschlungen. „Im
Krankenhaus habe ich mich zurückgehalten. Ich wollte dir nicht in die Quere
kommen. Laß dich bitte heute auf nichts ein! Ich möchte nicht, daß dir etwas
zustößt.“
Ich drückte ihn an mich. „Im Augenblick will ich nur
schlafen. Mach dir keine Sorgen um mich. Und danke, daß ich bei dir wohnen
darf.“
Zum Ausziehen und Baden war ich viel zu müde. Nur
die Stiefel brachte ich noch von den Füßen, bevor ich ins Bett fiel.
Es war nach vier, als ich aufwachte - steif und
benommen, aber wieder bereit zu neuen Taten. Angewidert stellte ich fest, daß
alles an mir stank. In der winzigen Besenkammer neben dem Bad stand eine
Waschmaschine. Ich stopfte Jeans, Unterwäsche und sämtliche waschbaren
Kleidungsstücke aus den beiden Koffern hinein. Und jetzt gab es nur eins: ein
ausgiebiges heißes Bad. Danach fühlte ich mich wieder halbwegs wie ein Mensch.
Während meine Jeans trockneten, rief ich den
Auftragsdienst an. Keine Nachricht von Don Pasquale, aber Phil Paciorek hatte
seine Kliniknummer hinterlassen. Leider ging niemand an den Apparat. Ich gab
der Sekretärin Ferrants Nummer und probierte es anschließend noch einmal bei
Torfinos Restaurant. Wie am Tag vorher meldete sich die Reibeisenstimme und
bestritt erneut, einen Don Pasquale zu kennen.
Unten in der Eingangshalle waren die ersten
Abendzeitungen eingetroffen. Ich las sie im Cafe bei Cappuccino und Käsebrot.
Der Herald-Star berichtete über das Feuer auf der Titelseite in der linken
unteren Ecke: Brandstiftung
in der North Side . Nach Interviews mit den
Studenten und der besorgten Tochter der Takamokus folgte ein Absatz mit einer
eigenen Überschrift: „Am meisten betroffen war die Wohnung von V. I.
Warshawski. Die Privatdetektivin ermittelte kürzlich in einem Fall, bei dem es
um gefälschte Wertpapiere ging, die im Albertus-Magnus-Kloster in Melrose Park
gefunden wurden. Miss Warshawski wurde bereits vor zwei Wochen bei einem
Säureanschlag verletzt. Besteht ein Zusammenhang zwischen ihren Ermittlungen
und dem Brand? Zu einer Stellungnahme stand sie uns bisher noch nicht zur
Verfügung.“
Ich schnalzte mit der Zunge. Fein hingekriegt,
Murray. Der Herald-Star hatte bereits über den Säureanschlag berichtet. Jetzt
konnte die Polizei die Sache nachlesen und den Zusammenhang erkennen. Ich
trank einen Schluck Cappuccino, bevor ich die Seite mit den persönlichen
Anzeigen aufschlug. Ich entdeckte eine kleine Notiz: „Die Eichel hat Wurzeln
geschlagen“. Onkel Stefan und ich hatten uns auf diesen Text geeinigt, weil
er eine Anspielung auf meine Acorn-Aktien enthielt. Am Sonntag hatte ich die
persönlichen Anzeigen zum letztenmal durchgesehen - heute war Donnerstag. Wie
oft war die Anzeige wohl schon erschienen?
Roger war bereits zu Hause, als ich in seinem
Apartment eintraf. Voller Bedauern erklärte er, er sei fix und fertig; ob ich
wohl allein Abendbrot essen könne? Er müsse so schnell wie möglich ins Bett.
„Natürlich. Ich habe ja den ganzen Tag
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