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Fromme Wünsche

Fromme Wünsche

Titel: Fromme Wünsche Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Sara Paretzky
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Ritter ohne Furcht und
Tadel. Erst kommt sie einem großen Tier so in die Quere, daß man ihr einen
Feuerprofi auf den Hals hetzt, und jetzt spielt sie die schweigende Heldin.“ Er
sah mich aus ernsten grauen Augen an. Sein Mund war ein dünner Strich. „Tony
Warshawski gehörte zu meinen besten Freunden, wie du weißt. Wenn dir was
passieren sollte, finde ich zeitlebens keinen Frieden mehr. Aber mit dir kann
ja kein Mensch reden. Seit Gabriellas Tod gibt es keine Menschenseele mehr, auf
die du hörst.“
    Ich schwieg. Was sollte ich dazu sagen? „Komm,
Dominic. Gehen wir. Ich lasse die Heilige Johanna hier beschatten. Mehr können
wir im Moment nicht tun.“ Als er gegangen war, schlug die Erschöpfung wieder
wie eine Woge über mir zusammen. Ich fürchtete, ohnmächtig zu werden, wenn ich
nicht sofort aufstand. In meine Decke gehüllt, rappelte ich mich hoch. Ich
griff dankbar nach Rogers Hand. In der Eingangshalle paßte mich Assuevo ab.
„Miss Warshawski, wenn Sie Informationen über die Brandstiftung zurückhalten,
können Sie gerichtlich belangt werden.“ Ich stand da und hielt meine Gläser
umklammert, während er hinter Bobby hertrabte.
    Roger legte den Arm um mich. „Du bist ja fix und
fertig, Herzchen. Ab in meine Wohnung. Du brauchst erst mal ein heißes Bad.“
    Am Ausgang befühlte er seine Taschen. „Ich habe
meine Brieftasche bei dir auf der Kommode liegengelassen. Ich kann das Taxi
nicht bezahlen. Hast du Geld?“
    Ich schüttelte den Kopf. Er rannte Bobby und Assuevo
nach, die gerade in den Polizeiwagen stiegen. Taumelnd lief ich hinterher.
Roger bat sie, uns zu meiner Wohnung zu bringen.
    Die Atmosphäre im Wagen war gespannt. Keiner sprach.
Vor den verkohlten Resten meiner Behausung sagte Assuevo: „Ich weise Sie
ausdrücklich darauf hin, daß Sie das Gebäude auf eigene Gefahr betreten. Wir
können nicht für Ihre Sicherheit garantieren.“
    „Danke“, meinte ich müde. „Sie sind eine große
Hilfe.“
    Roger und ich suchten uns einen Weg zwischen den
Eisgebilden, die durch das gefrorene Löschwasser entstanden waren. Man kam
sich vor wie in einem Alptraum. Alles wirkte vertraut, aber seltsam verzerrt.
Die Feuerwehrleute hatten die Eingangstür aufbrechen müssen; sie hing schief in
den Angeln. Die Treppe, von Eis, Ruß und herabgefallenem Mauerwerk bedeckt,
war nahezu unpassierbar.
    Im zweiten Stock beschlossen wir, hintereinander
hinaufzugehen, weil uns das wegen der Einsturzgefahr sicherer erschien. In
meinem eigensinnigen Bestreben, die geretteten Weingläser um keinen Preis aus
der Hand zu geben, ließ ich Roger den Vortritt und wartete frierend auf dem
Treppenabsatz.
    Vorsichtig tastete er sich hinauf in den dritten
Stock. Ich hörte, wie er meine Wohnung betrat. Gelegentlich fiel ein Mauerstein
oder ein Stück Holz zu Boden, aber sonst blieb alles still. Nach wenigen
Minuten kam Roger ins Treppenhaus zurück. „Ich glaube, du kannst es wagen,
Vic.“
    Der Eingangsbereich meiner Wohnung war weitgehend
zerstört worden. Von der Diele aus konnte man durch Löcher in der Wand direkt
ins Wohnzimmer sehen. Ruß und Löschwasser hatten meine wenigen Möbel ruiniert.
Als ich eine Klaviertaste anschlug, erklang ein dumpfes Scheppern. Ich preßte
die Lippen zusammen und marschierte entschlossen ins Schlafzimmer. Hier und im
Eßzimmer war der Schaden nicht so groß. Mein Bett konnte ich zwar nicht mehr
benutzen, aber das eine oder andere brauchbare Kleidungsstück ließ sich
bestimmt noch finden. Ich zog Stiefel und einen verräucherten Pullover an und
durchwühlte meine Sachen nach etwas Tragbarem für den heutigen Vormittag.
    Roger mußte die eingefrorenen Verschlüsse meiner
beiden Koffer mit Gewalt öffnen. Gemeinsam verstauten wir darin den
verwendbaren Rest meiner Habseligkeiten.
    „Was ich jetzt nicht mitnehme, ist sowieso verloren.
Die lieben Nachbarn werden sich bald darüber hermachen.“
    Erst kurz vor dem Gehen wagte ich, einen Blick in
das Fach in meinem Kleiderschrank zu werfen. Mit zitternden Fingern brach ich
die Tür aus den deformierten Scharnieren. Die Gläser waren sorgfältig in
Streifen alter Bettwäsche gewickelt. Aus dem ersten Glas, das ich in die Hand
nahm, war ein spitzes Stück herausgebrochen. Ich biß mir auf die Lippe, um
nicht loszuheulen, und wickelte die anderen vier aus. Sie schienen in Ordnung.
Ich hielt sie gegen das trübe Morgenlicht und prüfte sie von allen Seiten.
Nicht einmal ein Kratzer!
    Roger hatte schweigend dagestanden. Nun kam er durch
den

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